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254. Ernst Moritz von Arndt an Benjamin von Bergmann

Löbnitz zwischen Damgarten und Stralsund
den 10. Nov. 1794.

Lieber Bergmann, Aus dem holden Nebel der Verwirrung und Geistesabwesenheit, der mir den ersten Schritt in's Philisterleben noch nicht so ganz fühlbar werden läßt, blicke ich empor, und sehe hinter mir, eine fröhliche, ach nur zu vergängliche, Vergangenheit, vor mir eine ungewisse Zukunft, die mir, wenn dieser freundliche Nebel zerfließt, gewiß keine goldene Sonne zeigt. Bis jezt genoß ich und ließ andre arbeiten, nun kömmt die Zeit der Arbeit und des Handelns auf für mich. Freilich ist meine Lage so angenehm, als ich mir sie wünschen kann, aber was ist dieses alles gegen das, was ich verloren habe? Ich lebe hier bei meinen Aeltern unter einem Haufen Geschwister und in häufiger froher Gesellschaft so ganz nach meiner Laune; meinen jüngsten Bruder in der französischen Sprache unterrichten ist mein einziges bestimmtes Geschäft. Kleine Reisen, Besuche von guten Freunden, Tanz und Getränk nach Herzenslust haben mir die zwei Wochen, die ich zu Hause bin, ziemlich kurz gemacht, aber was hab' ich hier, das ich nicht hundertfach besser zurücklies? -was gewann ich, das ich nicht tausendmal besser verlieren mußte? O, lieber Junge, ein Lichtenhainer Kommers in Andacht ist mir tausendmal werther, als dampfende Punschbolen und der Hauch des köstlichen Weines; bas behagte mich einst der Ziegenhainer Linde Umarmung, als der Kuß eines reizenden Mädchens, und ich gebe gern der stralsunder Hautboisten schönste Töne für das einförmige Getrudel der Zwetzer und Drusnitzer Musikanten. Auch an Dir, guter Junge, habe ich einen redlichen Kumpan verloren, und jede holde Erinnerung an Jena schließt Dich mit ein; auch ich habe das gute Vertrauen zu Dir, daß Du mich nicht ganz ausstreichen wirst und daß ich ab und an von Dir ein Briefgen erhalten werde, bis Du mir die Freude machst, in eigner werther Person Dein Versprechen zu lösen. Was macht Dein dicker Bruder? grüße ihn doch bestens von mir, so wie alle Deine Freunde und sage ihnen, daß ich oft an sie denke, oft mit freundlicher Erinnerung mir Stunden wiederhohle, die auf ewig für mich dahin sind. Ich bin noch zu stumpf und blott, um mehr schreiben zu können, tu ne par pari referas. Lebe wohl.

Dein E. M. Arndt.

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