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314. Hoffmann von Fallersleben an K. H. G. von Meusebach in Berlin

Breslau, 11. Januar 1824.

Die Abendröte zwischen den Tannenbäumen blickte mich an, und mein Herz bebte, wie die Säule des Memnon. Meine Gedanken flogen zu den Häusern alter Erinnerung und brachten den späten Neujahrswunsch durch die Eisblumen der Fenster. Wer aber mag ihn gehöret haben? – Niemand. Du mußt schreiben, rief ich, schreiben, sonst glaubt niemand, daß du noch nicht an Altersschwäche gestorben bist!

Sie glauben doch auch, verehrter Freund, daß es ein Leben gibt, welches dem Totsein ähnlich ist? Ich halte immer dasjenige dafür, worin die niederen Fähigkeiten unserer Seele Tag ein Tag aus streng beschäftigt werden. O daß wir uns so lange mit dem Unbedeutenden plagen müssen, um eine freie sichere selbständige Aussicht zu gewinnen! Es ist nun einmal so und kann auch wol nicht anders sein. Glücklich, wenn wir nicht untergehen in der litterarischen Wüste und doch einmal zu den Quellen des Nils gelangen! Ihren jüngsten Brief hab' ich mit Andacht gelesen und oft gelesen. In Berlin würde ich Sie gebeten haben, ihn mir gefälligst vorzulesen. Ob ich ihn jetzt verstanden, weiß ich nicht; zu solchen Worten lassen sich viele Melodien singen.

Von der Schickensfreude bin ich noch immer beseelt; Sie können darüber spötteln, nur dürfen Sie nie daran zweifeln! Sie thäten wahrlich Unrecht, wenn Sie mehr oder weniger dahinter fänden, als ein reines Wohlwollen und Dankbarkeit für jedwede Teilnahme Ihrerseits an meinem bischen Leben.

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