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298. Waiblinger an Friedrich Eser

In der That, mein Lieber! ich muß abermal glauben, Sie seyen gestorben. Ist diß wirklich der Fall, so bitt' ich Sie, meinen Brief mir gleich wieder zurückzuschicken. Es ist nun schon ein halb Jahr, daß Sie geschrieben. Ueberlegen Sie, ob Sie recht thun.

Ich hätte Ihnen freylich viel zu sagen. Aber das Schönste, das Größte läßt sich doch nicht so gleich in Worte fassen. Genug, daß ich Ihnen einfach sage, ich habe den Aeschylos, Sophocles, Euripides, Platon und Aristophanes durch und durch studiert. Drum bin ich nun vollends ein Heide. Auch den Winckelmann Hab' ich gelesen und alles, was ich bekommen konnte, über meine Griechen. Sezen Sie damit ein fortgeseztes Antikenstudium (ohne dieses kann kein Studium der alten Autoren Statt finden) in Verbindung, so können Sie etwa begreifen, wie mein Hellenismus entstanden. Ein Roman soll darum jene Kinder der jugendlichen Natur im Morgenglanz ihrer ewigen, ihrer ewigen, wandellosen Schöne zur unbedingten Apotheose erheben. Phaëton heißt er, und 10 Bogen sind bereits geschrieben. Ueber seine philosophische Tendenz will ich Ihnen nichts schreiben, der Name: Phaëton sagt alles! Freund! Ich schreib ihn für die Welt! Sie lernen mich kennen in ihm.

Mein Trauerspiel liegt seit 3 Wochen beym Theater-Intendanten Hr. v. Lehr. – Ich zweifle übrigens ganz und gar an der Aufführung, ob ich es gleich völlig umgearbeitet hatte für die Bühne.

Vielleicht auf den Winter beginn' ich meinen Trenk. Meinen Roman werden Sie vielleicht bald gedruckt lesen.

Ich widme nur noch einen Theil meiner Zeit dem Umgang mit Weißer, Matthissou, Haug, Schwab, Uhland, Boisseree, Dannecker, Rappschen Hause, und den Schauspielern: Gnauth, Miedke (Regisseur) und Maurer etc. Bey letzterm hab' ich Declamationsübuugen.

Vielleicht schreib ich bald Abhandlungen über die griechischen 3 Tragiker, vergleiche jedes Stück mit den andern, und spiegle sie ab gegen Homeros, Aristophanes und Plato.

In 5 Wochen werd' ich abziehen von hier. Treff ich Sie in Reutlingen? Ich hoffe doch nicht, daß Sie schon den Torus aufgesteckt, und ohne meine Segenswünsche? Sie scheinen mich doch vergessen zu haben. Freund, wenn ich das wüßte ...

Wenn mein Brief ganz abscheulich mager ist (die histor. Nachrichten hätt' Ihnen auch ein Nähmädchen mittheilen können,) so schieben Sie's theils auf die Ermattung, die mich jedesmal aufs Dichten befällt, und dann auf Ihre gränzenlose Lieblosigkeit, aber ja nicht auf Mangel an Zeit, mit dem nur Sie mir nicht kommen sollen.

Ich grüße Sie, kalter Freund?

Ihr
Waiblinger.

*


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