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271. Adam Gottlob Oehlenschläger an Ludwig Tieck

Kopenhagen, d. 7. Juli 1832.

Mein geliebter Tieck!

Nie habe ich stärker die Macht einer Übeln Gewohnheit empfunden, als wenn ich an dich denke, und dann wieder denke: aber warum in aller Welt (oder in Teufels Namen) – (oder um Gottes Willen) – schreibst du nicht dem edeln Freunde, an den du so denkst, und jedesmal wenn du etwas gedichtet hast bei dir wünschest, um seine Meinung zu hören und vielleicht die große Lust seines Beifalls zu gewinnen?

Leider, mein theurer Bruder! hast du den selben Fehler. Man sagt sonst » les beaux esprits se rencontrent«, aber auf die Art könnten wir uns nicht leicht rencontiren. Ich schrieb dir einen langen Brief im vorigen Sommer. Du antwortest nicht darauf– aber glaube ja nicht daß ich deshalb schwieg. Du hattest mir in Dresden gar zu viele und rührende Beweise deiner Freundschaft gegeben – es wäre schlecht von mir gewesen deshalb Verdacht gegen deine freundliche Gesinnung zu schöpfen. Aber da muß ich doch zu meiner Entschuldigung sagen: da war noch ein andrer Grund, warum ich lange schwieg. Es ist so betrübt seinen Freunden etwas Unangenehmes mitzntheilen, und es begegnete mir, nach meiner Zurückkunft, viel Unangenehmes. Lottchen hatte sich nehmlich mit einem Schauspieler bei dem hiesigen Theater heimlich versprochen, und obschon ich keine von den dummen Vorurtheilen gegen den Schauspielerstand theile, so war doch das ein Schwiegersohn, den ich auf keine Weise anerkennen wollte, denn obschon nichts Schlechtes von ihm zu sagen ist, so ist er sehr leichtsinnig und wird nie im Stande seyn Lottchen eine sorgenfreie Existenz zu verschaffen. Das hat sie nun zuletzt eingesehen, und sie hat sich wieder von ihm getrennt.

Diese Verstimmung mag einigermaßen zu meiner Entschuldigung dienen, daß ich dir so lange nichts geschrieben habe. Auch könnte ich eine Menge Philisterursachen anführen, das Rectorat hat mir viel Zeit gekostet, ich mußte zwei lateinische Reden theils verfertigen, theils verfertigen lassen. In der letzten Rede sprach ich eine ganze Viertelstunde davon, wie dumm es ist lateinisch zu reden. Ich hoffe wir werden jetzt bei unserer Universität auch dänische Reden in der Zukunft halten. Ich sprach auch viel von Goethe!

Ihn haben wir denn auch verloren! –

Wie schön war es, lieber Tieck! daß du eben noch vor seinem Tode in deiner schönen Novelle sein unsterbliches Verdienst als lyrischer Sänger mit so vielem Geiste und Tiefe darstelltest. –

Wir zwei sahen uns wieder und versöhnten uns noch vor seinem Tode. Das war auch schön! O lasse uns dieses herrliche Verhältniß pflegen und hegen; uns einander öfter schreiben; wenigstens zwei mal im Jahre.

Aber kommst du nicht einmal nach Dänemark? O komme, komm! Du sollst bei mir wohnen und bleiben so lange du Lust hast, und ich werde es als ein außerordentliches Glück betrachten.

Um doch recht viel mit dir zu leben, habe ich seit meiner Zurückkunft sehr vieles von dir wieder gelesen, die Novellen (den Aufruhr in den Cevennen mußt du absolut fertig machen). Auch Octavian und mehrere von den alten Sachen.

Ich habe auch Vorlesungen gehalten und mehrere ästhetische Abhandlungen ausgearbeitet. Im künftigen Herbst gebe ich eine dänische Monatsschrift » Prometheus« heraus, die Aesthetik, Critik und Poesie enthalten wird.

Ich habe ein kleines romantisches Schauspiel in gereimten Versen Rübezahl geschrieben – es wurde gespielt, aber – das war »Caviar für den großen Haufen«, es gefiel nur den Poetischen, Gebildeten.

Mein Singspiel »das Bild und die Büste« (in der deutschen Sammlung übersetzt,) ist von einem jungen geistreichen Musiker »Berggreen« sehr gut componirt, und auch gefallen. Was sagst du dazu dieses Stück mit Berggreens Musik in Dresden aufführen zu lassen?

Hast du daran gedacht einige von meinen Stücken in Dresden sonst aufzuführen? Robinson in England? Erich und Abel?

Ich wünsche sehr einige gute Nachrichten von deiner Gesundheit zu hören. Und wie befindet sich deine gute Frau und deine lieben Töchter, und die treffliche Gräfin Finkenstein? –

Zu Brockhaus' Urania habe ich eine Novelle geschrieben: »der bleiche Ritter«. Sage mir deine aufrichtige Meinung darüber, wenn du sie gelesen hast. Ich freue mich dazu wieder eine Novelle von dir in Urania zu finden.

» Quid novi ex Africa« kann ich sonst fragen; denn das poetische Deutschland fängt jetzt so ziemlich an eine afrikanische Sandwüste zu werden. – Aber so ist es überall – und so war es zum Theil überall. Der Fluß des Lebens fließt über Sand, und der Sand enthält immer nur wenige Diamanten. Lebe wohl

Dein treuer Bruder
A. Oehlenschläger.

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