Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

230. Runge an Besser

Den 3. Juni 1798.

Mein theuerster Freund, ich möchte Dir in diesem Augenblicke um den Hals fallen, aber uns trennt ein großer Raum, der jedoch mit Gottes Segen angefüllt ist, daß der Jubel und Dank hoch durch die Wolken darüber aufsteigt. – Lieber, hast Du Franz Sternbald's Wanderungen, herausgegeben von Tieck, gelesen? Mich hat nie etwas so im Innersten meiner Seele ergriffen, wie dies Buch, welches der gute T. wohl mit Recht sein Lieblingskind heißt. Ob es Dir auch so dabey seyn wird, weiß ich nicht. – Ich kann es nicht länger lassen, ich muß es Dir sagen, daß ich sie von ganzer Seele liebe, daß alle meine Lebenskraft, alles Gefühl meiner Glückseligkeit, alle Erkenntniß des Schonen, selbst meine Liebe zu Dir, mir nur mit ihr lebt und webt, daß sie mit dem Antlitz eines Engels stets meine Phantasie umschwebt, daß ich mir ihr Bild in's Innerste meines Herzens eingeprägt habe, daß mir sie nur immer wie eine Madonna von Rasael oder Guido vorstelle; oft denke ich, daß die Glorie doch wohl nur in meiner Einbildungskraft liege, aber wenn ich sie erblicke, so möchte ich in den Erdboden sinken, mein Blut schießt wie ein Pfeil durch alle Adern und auf einen Wink von ihr könnt' ich in's Feuer springen. Ich begreife es dann nicht, wie ich nicht vor ihr niedergefallen bin und laut die Allmacht nnsers Gottes in dem Bilde des Weibes gepriesen habe. Besser! denke nicht, daß ich unglücklich bin, oder daß ich glaubte, sie würde je mein werden können. So stolz werde ich nie seyn, zu glauben, daß sie mich bemerke, daß sie unter allen Tausend, die sich an dem Bilde des herrlichen Weibes laben, mich bemerken sollte. Besser! ich habe ihr Bild mit dem Innersten meiner Seele verwebt, oder hat die Natur es gethan? und ich will es tragen als das heiligste, was auf Erden mir seyn kann; ich will nicht auf Reichthum hoffen, ich will mit allen Leibes- und Seelenkräften arbeiten, um nur der Kunst zu leben, ich will so bleiben, wie ich bin, dann kann ich auch glauben, daß du mir ewig seyn kannst, was Du mir jetzt bist.

Ich bitte Dich, denke nie etwas Böses von mir; wenn ich dumme Streiche machen sollte, so sage es mir grade heraus, aber denke nicht, daß ich je aufhören könnte, Dich aus allen Kräften zu lieben, und wenn ich mich in dem Drange meiner Gefühle an Deinen Hals hänge, so stoße mich nicht kalt zurück. Ich kann die Menschen um mich einen Augenblick alle für Engel halten und fühle mich dann so niedrig, daß ich ihnen allen zu Füßen fallen möchte; ich bin dann taub gegen alles, was um mich vorgeht, verworren kehrt sich in mir alles durcheinander, ich bin Minuten lang fast nicht im Stande, etwas zu verstehen, wenn man auch deutlich mit mir spricht. Nach einem solchen Tage schlafe ich recht gut und erwache früh am Morgen, dann schwebt ihr Bild heller und deutlicher vor meinen Augen und ich fühle mich selig, es geht mir dann Wochenlang alles gut von Händen, wäre es auch die schwerste Arbeit, ich ginge mit Vergnügen daran und endete mit Lust, denn Ihr Bild stärkt mich zu Allem Guten und ich bin in mir selbst besser geworden, seit ich sie liebe; das fühl' ich und vertrau' es Dir. Denke nicht, daß ich heuchle und Dir Empfindungen und Gefühle von mir hinschriebe, die ich nicht hätte. Ich habe nie so aufrichtig zu Dir gesprochen und es ist mir nie so von der Feder geflossen, wie jetzt, da ich Dir das sage, was ich würklich fühle. – Bald kommt nun die Zeit, daß ich mich zur Kunst hinwende, dann helfe mir Gott, und erhalte mir immer meinen frohen Muth und mein Vertrauen zu mir selbst und lasse mich die Stunden meines Lebens weniger sehen, wo die fürchterliche Leere in die Seele des Menschen tritt. Ich kann es Dir nicht beschreiben, wie mir im Freyen ist, alles, dünkt mich, möcht' ich umfassen und an mein Busen drücken, auch der größte Schlackenregen scheint mir, wenn ich bey guter Laune bin, mich zu umfassen und zu sagen, daß ich ihm doch Werth bin; hinter jedem Blatt und jeder Blüthe, dünkt mich, stecke ein Engel, der mir meinen Muth erhielte und ich begreife es nicht, wie mir zu andern Zeiten denn seyn kann, als wenn alles nur da wäre, um meiner zu spotten, ein Wort mich dann aus den süßesten Träumen und von den schönsten Bildern zum Nichts herabreißen kann. Lieber ich will Dir bald mehr schreiben; sage mir nur, ob Du so mich lieb haben kannst, wie ich Dich habe? Ich will immer sein demüthig bleiben und mich nie dünken lassen, daß ich etwas wäre; bleibe Du nur mein und tröste mich, wenn in bösen Stunden meine Seele von Gram getrübt wird.

Lebe wohl.

*


 << zurück weiter >>