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201. Hölderlin an Neuffer

Waltershausen d. 25. Aug. 94.

Könnt' ich Dir helfen, Freund meiner Seele! Gott weis es! ich gäbe mein Leben gerne darum. Meine Freude ist hin, ich werde mitten unter dem, was mich umgiebt, von Deinem Grame gemahnt, und ich weiss nicht, wie ichs ertragen könnte, wenn nicht Du Dich wenigstens rettetest.

Lieber! Du must, Du wirst Deinen Geist emporhalten, es komme, was da will. Du gehörst der Menschheit, du darfst sie nicht verlassen. Durch große Freude, und großen Schmerz reift der Mensch zum Manne. Eine Zukunft, wie der Held im Kampfe sie erwarten kann, wartet Deiner. Du wirst nicht gefüllos durchs Leben gehn, das königliche Bewustsein, namenlosen Schmerz bezwungen zu haben, wird Dich geleiten, Du wirst [Dich] emporringen in die Region des Unvergänglichen, Du wirst unter den Menschen bleiben, und Mensch sein, aber ein göttlicher Mensch.

Lieber! Unvergesslicher! Du gehörst auch mir. Unter allem woran mein Herz hieng mit Hofnung einer Dauer, dauerte mir bisher einzig der Bund mit Dir. Ich weis keine Seele, an die ich glaubte, wie an Dich. Ich war noch nie so reich wie Du. Ich war nie glüklich durch Liebe, weis nicht, ob ich es je werden werde, aber ich war oft unaussprechlich glüklich durch Dich, und hoff es immer mer zu werden auf diesem Wege. Kennst Du mich nimmer, bin ich Dir nichts mer, mein Bruder? Laß uns zusammen aushalten in dieser finstern Zone, zusammen wirken, und nur vom Siege unser Herz nähren. Ich schwöre Dirs, zunächst der Menschheit, soll nichts auf Erden ein Recht auf mich haben wie Du, ich werde Dein sein, wie Deine Seele, und wenn ich vor keinem Sterblichen mich beuge, so will ichs und werd ichs ewig vor Dir. Welten erobern, Staaten einreissen und aufbauen wird mir nie so gros dünken, als solchen Schmerz zu überwinden.

Gönne mir den Trost m. Lebens, und Dir den Triumph aller Triumphe! Ich lasse Dich nicht. Ich werd' es one Ende Dir zurufen, und ich würd es sagen, wenn ich von Deiner und ihrer Leiche käme: der Schmerz kan mich zu Boden werfen, aber überwältigen kann er mich nicht, so bald ich will.

Laß sie Vorangehn, wenn es so sein soll, auf dem unendlichen Wege zur Vollendung! Du eilst ihr nach, wenn Du auch noch Jare hier verweilst. Der Schmerz wird Deinen Geist beflügeln, Du wirst mit ihr gleichen Schritt halten, ihr werdet verwandt bleiben, wie ihr es seid, und was sich verwandt ist, findet sich doch wol wieder.

Und wirst Du mich anhören? Ich hoffe noch. Es wird mir durch den Tod ihres Vaters, durch euer Verhältnis, das bei tausend Seeligkeiten doch gewis auch manchen stillen Kummer herbeifürt, warscheinlich, daß vieleicht diese scheinbare Schwindsucht die Wirkung eines tief leidenden Gemüts sein könnte. Ist es das, so kann ich ruhiger sein.

Ich beschwöre Dich, schreibe mir mit nächstem Posttage wieder, so wenig es auch sein mag, nur wie es steht mit ihr und Dir. Wird es nicht anders: so hält mich schlechterdings nichts, ich eile und komme, und bitte Dich auf den Knien, Dein zu schonen. Gelingt mir gar nichts, so hoff' ich doch durch ein paar herzliche Tage Deinen Gram in etwas zu unterbrechen, und auch das ist mir schon Grundes genug, zu kommen.

O mein Neuffer! wär ich schon bei Dir! ich habe keine Ruhe. Könnt ich doch mit nächstem Briefe von Dir etwas heiterer werden. Vergiss nicht, dass Du es bist, der leidet, und dass ich es bin, der mit Dir trägt. Des Himmels Seegen über die duldende Heilige!

Ewig
Dein
Hölderlin

Ich benüzte in Eile die nächste Gelegenheit, und schreibe Dir über Würzburg. Du wirst auch gerne haben, wenn Dein Brief früher hieher kommt. Addressire ihn deswegen nach Waltershausen bei Neustadt an der Saale.

über Würzburg.

*


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