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333. Richard Wagner an Theodor Uhlig

Lieber Freund!

Hier hast Du mein Testament: ich kann nun sterben, – was ich nun noch thun könnte, kommt mir wie unnützer Luxus vor! –

Die letzten Seiten dieser Abschrift habe ich in einer Stimmung geschrieben, die ich Niemandem verständlich schildern kann. –

Unser Papagey – das liebenswürdigste und mich zärtlichst liebende Thier, der kleine, redende, singende und pfeifende Hausgeist meines abgeschiedenen kleines Hausstandes – war in der letzten Zeit öfters kränklich; ich sollte einen Thierarzt aufsuchen – da ward's gerade immer wieder besser: meine Arbeit fesselte mich mit einem Alles unberücksichtigtlassenden Fleiße. Am Tage vor dem Schlüsse der Abschrift, verlangte das gute Thier immer so sehnsüchtig zu mir heraus, daß meine Frau nicht widerstehen konnte, und ihn auf meinen Schreibtisch zu mir herausbrachte: er wollte sich an die zum Fenster hereinscheinende Sonne setzen, – ich schloß die Vorhänge um arbeiten zu können; er wurde mir überhaupt störend, und meine Frau mußte ihn wieder fortnehmen: – da gab er einen mir bekannten traurigen Laut von sich. Nachher hieß es – ich sollte doch wohl den Arzt aufsuchen: ich sagte – es wird wohl nichts Besonderes sein – und dachte, morgen bist Du mit der Arbeit fertig, – dann willst Du doch gehen. – Am anderen Morgen früh war er plötzlich – todt! –

Ja – wenn ich Euch sagen könnte, was mir mit diesem Thierchen gestorben ist!! –

Es ist mir ganz gleichgültig, ob man mich darüber auslacht: was ich empfinde, das empfinde ich nun einmal, und ich habe nicht mehr Lust meinen Empfindungen Zwang anzuthun; allerdings müßte ich denen, die mich auslachen können, Bücher darüber schreiben, um ihnen begreiflich zu machen – was einem Menschen – der mit Allem nur auf die Phantasie angewiesen ist – solch ein kleines Geschöpf sein und werden kann. Es ist nur drei Tage her – und nichts kann mich noch beruhigen: – und so gehts auch meiner Frau: – Der Vogel war etwas Unwillkürliches zwischen uns und für uns. –

– Liebster Freund – ich schreibe Dir heute kurz! Ich will aufrichtig gesagt nur das verhaßte Manuskript aus dem Hause haben. – Herzlich danke ich Dir für Deinen Brief, der mich zuerst etwas herausriß. – Thue in Allem, was Du für gut hältst! Mir kann an nichts weiter liegen, als daß ich für diese Arbeit wenigstens doch etwas Geld bekomme, da ich nun doch einmal noch lebe. – Schicke den Brief getrost an Weber – es ist ja Alles gleich. Anderweitige Nachricht habe ich so noch nicht. – Mach' was Du für gut hältst, und für Alles werde ich Dir danken! –

Könnte ich nur Lust am Leben haben – die Lust an der Kunst soll ich doch nicht haben –: Sei aufrichtig und stimme mir bei: in dieser ganzen weiten Welt habe ich nicht einen Fuß breit Boden um auf ihn als ganz das treten zu können, was ich nun einmal bin. – Pfui über das Achtelsleben! – – Alles was ich vom Kunstwerk vornehmen könnte, muß mir als ebensolche phantastische Selbstbeschwichtigung erscheinen, wie ich mich mit dem kleinen tobten Freunde beschwichtigte –: ich hab nichts mehr zu thun, als eitle Selbsttäuschung zu unternehmen!

– Lebe wohl! – für heute! – Thu' was Du für gut hältst für alles danke ich Dir! –

*


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