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74. Heyne an Herder

Göttingen, den 27. Februar 1772.

Wie gerne sage ich es Ihnen, theuerster, geliebtester Freund, daß Sie meine ganze Seele liebt, daß Sie Eindrücke auf mich gemacht haben, deren mein Herz ganz entwohnt war, daß ich jene erschütternden Empfindungen wieder fühlte, deren ich schon lange nicht mehr fähig zu sein glaubte. Sie schweben mir die Tage her unablässig vor Augen, und ich überdenke mir, mitten unter meinen Arbeiten, den Werth Ihrer schönen, liebenswürdigen, edlen Seele, und preise den Herrn der Schöpfung, daß er mich in dieser für mich oft so öden Wüste diesseits des Grabes eine Seele hat finden lassen, welche für mich auf dem Pfade des Lebens Gesellschafterin werden kann. O das seien Sie, bleiben Sie, beste, theuerste Seele! Haben Sie Nachsicht gegen meinen stumpfen, erkälteten, gegen freudige und traurige Empfindungen gleich trägen Geist! Ich kann nicht mehr die Sprache eines warmen, begeisterten Gefühls der Liebe und Freundschaft reden, noch weniger mit der Anmuth reden, mit der Sie es, mein Liebenswürdiger, unter Tausenden können. Aber ein Herz, stark, dauerhaft und unerschüttert in seiner Freundschaft bis in Tod, das kann ich Ihnen versprechen, darauf können Sie rechnen.

... Tausend Umarmungen und zärtlichstes Gefühl von dem Ihrigen.

*


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