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244. Adam Heinrich Müller an Friedrich Gentz

Berlin, 13. September 1802.

Bei einem so einfachen Leben als das meinige, liebster Gentz, darf es Sie nicht wundern, wenn ich ein lässiger Briefsteller bin. Meine ganze Existenz dreht sich, wie Sie wissen, um den Gegensatz, und für meine Geschwätzigkeit in diesem Punkt sind die Grenzen eines Briefes zu eng, ist auch der reisende Freund zu zerstreut, zu beschäftigt. Indeß reift diese herrliche Frucht, die herrlichste, womit vielleicht je das Schicksal eine so armselige Creatur wie mich gesegnet hat, mit jedem Tage mehr, und die Freude, sie Ihnen bei Ihrer Rückkunft in ihrer jetzigen Gestalt reichen zu können, gehört zu den angenehmsten Erwartungen meines Lebens.

Erst jetzt, da es immer gewisser wird, daß auch Ihre Person unser bleiben wird, und da die lange Entfernung eine tiefe Sehnsucht nach Ihnen in mir erzeugt, wird mir der Verlust recht deutlich und furchtbar, dem ich entgehe, da Sie zurückkehren. – Glauben Sie es nur mit rechter Zuversicht, liebster Gentz, daß meine Treue gegen Sie und meine Verehrung vor Ihrem Geiste ohne Ende ist. Hören Sie doch nicht auf, mich, wofür ich mich immer halten werde, als eines Ihrer Werke zu betrachten, und versichern Sie mich nur, daß mich nie das Schicksal Ihrer übrigen Werke bei Ihnen treffen wird, die Sie, sobald die Hand davon gezogen ist, mit Gleichgültigkeit hinter sich zurücklassen.

Möchten doch, wenn Sie zurückkehren, auch solche Zeiten wieder kommen, wie die früheren, wo Sie eingezogener und in einem engeren Kreise lebten, und für mich zugänglicher waren. Vielleicht aber ist das bei Ihnen schon anders beschlossen, und sind dem Winter andere Dinge zugedacht als wissenschaftliche Zurückgezogenheit und Unterhaltungen über den Gegensatz. Es ist schlimm für mich, daß die einzige Scheidewand zwischen uns gerade in Ihrer Lage, in der Rastlosigkeit und verzehrenden Gewalt Ihrer Natur liegen muß. Ich sehe es voraus, so nahe wie in Dresden komme ich Ihnen nicht wieder, Sie treten in die alten Verhältnisse wieder ein, und ich muß mit einzelnen, seltenen halben Stunden zufrieden seyn. Doch ich weiß, wie sehr schon diese mein Leben angefrischt haben, und will nichts weiter von Ihnen verlangen.

Sigismund K. wird Ihnen geschrieben haben, daß wir uns täglich, vielmehr nächtlich, sehen und Ihrer erinnern. Ich habe mich recht innig an ihn attachiert und glaube, daß auch er etwas auf mich hält. Wenn ich ihn einmal nicht sehen kann, dann fühle ich, wie unentbehrlich mir das Schauspiel solcher Liebenswürdigkeit, Jugendlichkeit, Lebensleichtigkeit geworden ist, seitdem ich Sie näher kenne. Er ist einer von den Strahlen, in die sich Ihr Wesen zerspaltet; ich möchte mich den andern nennen, wenn Sie diese Eitelkeit entschuldigen wollen; und schon unsers Ursprungs halber müssen wir Beide uns lieben. Einen so regbaren Verstand wie den seinigen findet man selten so unbefleckt und unschuldig; ich gebe ihm zwei bis drei Jahre ernster und zweckmäßiger Anstrengung und er ist weiter als ich.

– Leben Sie wohl, liebster Gentz, und rechnen Sie auf meine unveränderliche Liebe und Treue.

*


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