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270. Ernst Friedrich Georg Otto Freiherr von Malsburg an Ludwig Tieck

Eschenberg, 2. August 1820.

Mein Herz wird doch wohl nicht ruhig seyn, lieber theurer Freund, bis es Ihnen einmal geschrieben hat. Hoffentlich wissen Sie schon durch die Fama, wie schwer es mir hier überhaupt wird zu schreiben, denn ich mag es Ihnen nicht wiederhohlen; das kann ich Sie aber versichern, daß die Umstände meiner natürlichen Faulheit auf eine Weise zu Hülfe kommen, die sich kaum ausdrücken läßt, und selbst in diesem Augenblick habe ich eine halbstündige Voranstalt treffen müssen, ehe ich dazu kommen konnte, dem Drang meines Herzens Luft zu machen. Dies rührt daher, daß wir gestern von Cassel kamen, wo wir zehn bis zwölf Tage verweilt und ich mir die bewußte Fristerstreckung von vier Wochen gehöhlt habe, so daß ich Sie nun erst im nächsten Monat umarmen werde. Sie glauben nicht, wie viel Treppen ich habe auf und ab laufen, wie viel kleine und große Schlösser auf- und zuschließen müssen, bevor ich weiter nichts als Dinte, Papier und Feder zusammen gebracht, und nun ist doch die Dinte dick, das Papier dünn und die Feder mittelmäßig, Ueberhaupt stelle ich jetzt recht oft wehmütige Reflexionen über die Unzulänglichkeit alles Schreibens an, wie die Liebe sich davor fürchtet und wenn sie daran ist, doch nie fertig werden kann, und wie gewiß kein Mensch mehr schreiben würde, wenn die Aussicht auf eine eigene oder fremde Freude am Geschriebenen aufhörte. Was für Dinge habe ich Ihnen und so viel Andern nicht oft schriftlich verkünden wollen, und wie oft habe ich die Briefe im Geist zusammengesetzt, wo Gedanken, Munterkeit und Rührendes abwechselten, ganze Stellen waren schon mit Wohlgefallen ausgearbeitet, und nun ich daran komme, ist dies und jenes weggeflogen, oder wird ganz anders, und ganz neue Dinge drängen sich hervor, so daß zuletzt vielleicht das Beste vergessen wird. Eine andere Betrachtung ist die, daß ich was meine gewöhnliche Beschäftigung betrifft, nirgends weniger zu Hause bin, als in meiner Heimath, und eine dritte, daß ich mich recht unordentlich angeordnet habe, indem ich die Faulheit mit dem Fleiß gar nicht in Verbindung zu bringen, keinen Tag einzntheilen und keine Stunde zu halten weiß, die edelmüthigsten und solidesten Vorsätze gehen immer in meiner eigenen Schwäche unter, mein Leichtsinn ist so gewaltig, daß mir die Zerstreuungen zuweilen ganz gelegen sind, und ich würde mich über mich selbst todtärgern, wenn ich nicht eben diesen Aerger und diese Schmerzen empfände, die mir die Gewähr einer bessern Natur und einer möglichen Besserung sind. So thut es mir meist wahrhaft weh, wenn ich vorauszusehen glaube, daß ich einmal gar nichts mehr thun werde, wenn ich, wie wahrscheinlich, mich zum Beschließen meiner Tage hier niederlasse und mir die bestimmte Sorgfalt für einen Grund und Boden, für vielerley Menschen auch Thiere meine schönsten und seinsten Gedanken fortnimmt. Inzwischen sey diesem wie ihm wolle, ich freue mich doch, wieder einmal geradezu mit Ihnen zu plaudern, wenn ich gleich das Wesentliche dabey vermisse, daß ich Sie nicht wieder sprechen höre, was mir immer einer der reißendsten Genüsse war. Die Begebenheiten meiner Reise, tausend kleine Vorfälle, die possierlich genug sind, muß ich mir für die mündliche Erzählung zurückbehalten, damit ich Sie und die lieben Damen lachen sehe; nur das vorläufig, daß Christian einmal auf dem rucio des Sancho Panso angesprengt kam. – Vielleicht merken Sie es diesem Briefchen ein wenig an, daß ich im Lesen des Don Quixote eben noch einmal begriffen bin, es ist doch ein herrliches Buch und gewiß für einen Landjunker, davon jedes Exemplar mehr oder weniger etwas Don Quixotenmäßiges an sich hat, eine sehr passende Lectüre. –

Seyen Sie mir noch einmal aus ganzer Seele gegrüßt und und umarmt, Sie lieber theurer Freund, und glauben Sie mir, so viel ich hier verlasse, so ist doch Freude und Verlangen im Gedanken an das, was ich wiederfinden werde, sehr groß. Ewig

Ihr
Ernst Malsburg.

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