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332. Joseph Viktor Scheffel an Karl Schwanitz

Karlsruhe, den 9. April 1845.

Mein viellieber Freund!

Recht viel Dank für Deinen so herzlichen und lieben Brief, der mir in das trübselige Karlsruher Leben so recht wie ein Stück von der guten alten Zeit gekommen ist und mich wieder so warm gemacht hat, wie schon lange nicht mehr. 'S ist doch etwas Schönes, wenn sich zwei Herzen so zusammenfinden, die einmal nach einem und zwar nach einem guten Takt schlagen, und wenn man sich sagen kann: ich sitz doch nicht allein in der Welt bei meinem großen corpus juris, und was ich denke und trachte, das muß ich nicht ganz einsam mit mir selbst ausbrüten, sondern es ist doch einer in der Welt, – dort draußen, ob's an der Ostsee sei oder im alten Thüringer Wald, der mich versteht und mir einen frischen Händedruck herüberreicht. – Das passiert einem freilich nicht leicht, daß man so einen wackern Gesellen findet, und dann ist's wie ein Sonnenblitz aus überzogenem Himmel, der einen Augenblick in den dunklen Weg hereinglänzt und dann wieder verschwindet; – ja! das ist eben das Erhebende und doch wieder Tieftraurige an unserm deutschen Universitätsleben, daß das, was sich so aus der Ferne zusammenfindet, so gar bald wieder in die Ferne fort muß, und wenn man noch lange, lange an der treuen Brust ausruhen und den bärtigen Mund küssen möchte, so wird schon gesungen »bemooster Bursche zieh ich aus,« und der Wagen rollt über die Brücke und um den Berg herum, und aus ist's mit aller Pracht und Herrlichkeit. – O mein lieber Karl! Ich kann mir so recht!denken, wie Dir's zumute ist, wenn, geweckt durch die Gegensätze des Familien- und Philisterlebens, in der Heimat die alten Erinnerungen wieder aufsteigen; – es wird einem hie und da gar wehmütig zu Sinn – Dem Brief ist mir gerade wie aus der Brust genommen; wenn ich Dir zeigen sollte, wie's da drinnen aussieht, so sollte ich ihn eigentlich abschreiben und an Dich zurückschicken.

Wir wollen aber dem Schicksal trotzen, das uns so weit auseinander geworfen hat, und uns dennoch nahe – immer nahe bleiben, nicht nur im Traume, sondern auch auf dem Papiere, und uns recht getreulich schreiben.

Ich sollte Dir jetzt noch viele Seiten in der Art fortschreiben – lauter Variationen über das Thema, wie lieb ich Dich gewonnen habe, und wie lebhaft ich an Dich denke – aber eben weil das Thema selbst bei uns so fest steht, so will ich's nicht «och lang umschreiben. Das Resultat ist bei uns beiden dasselbe, wie bei so vielen Konventsverhandlungen unsrer alten Alemannia: »'S bleibt alles beim alten.« – Weiter und neu muß es fortgehen im Lernen und Studieren, Ansichten und Pandekten müssen in den Kopf hinein und drin Rumor machen – ober das Herz mit seiner Jugendfrische und Innigkeit, das soll im Lauf der Zeit nicht anders werden. – Da hab ich neulich «in schönes Wort gelesen beim jungen Rotteck in seiner Geschichte der neusten Zeit: »Nur der Jüngling weiß, was Liebe ist, nur der Jüngling hat die Liebe, nur der Jüngling ist reich!« Diesen Reichtum bewahren wir uns, mein alter Jeremias! – nicht wahr? und Du nennst mich fort und fort Deinen »lieben Zungen«, so bleib ich immer jung und frisch und warm.

Heiliges Dunnerwetter! Ich komm ja aber aus meinen Herzensergießungen gar nicht heraus, und Du bekommst gar nichts Objektives von mir zu hören. So geht's eben, wenn das Herz die Feder dirigiert und nicht der Kopf!

Ich will Dir also jetzt noch einiges erzählen von unserm Leben und Treiben, seit Du fort bist, und von den alemannischen und nicht alemannischen Neuigkeiten ...

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