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125. Maler Müller an Heinse

Neapel, den 16. Februarj [1782]

Mein liebster Heynße.

Ich hätte Dir schon längst geschrieben alleine ich hoffte immer drauf Dich bald hier zu sehn und zu sprechen, wenn Du mit Klingern hier ankämest, alleine diß ist nun nicht geschehn – so muß ich Dir denn schreiben weilen ich von heute an nicht mehr gewiß weiß, wenn und welchen Tag ich von hier abreiße – ich liebe Dich von Herzen mein Heynße und hab durch dieße unsre kleine Trennung die Erfahrung gemacht, daß Du mir theurer bist als ichs vor selbst nicht wußte, meine eigne Seele hat für nichts im Vorauß in diesem Punct, so soll es denn auch immer dabey bleiben und wenn uns auch Meere auseinander scheiden soll doch die Kette immer lang genug seyn die unsre Freundschaft beständig aneinander hält. Ich hab nun Klingern gesehn und an seinem Hals gehangen, wir haben uns über einander gefreut, so wie zwei Brüder sich freuen, die sich einander wohlwollen und von ohngefehr in irgend einem unbekanten Winckel des Erdbodens sich treffen, es war ein wahrer Wonnenaugenblick so seelig für mich als wenge meines Lebens, siehstu daß der brafe Bursch so vergnügt und freudig und immer so ganz der nehmliche geblieben durch alle seine Schicksaale durch unverändert selbst biß auf seinen Humor nur mit der Modifikation von zweckmäßiger Bestimmung anjetzt, siehst das hat mir so sehr gefallen und wird mir ewig an ihm gefallen und ist auch das Kennzeichen eines respectablen Manns, – er ist dafür gemacht nicht unter den Kleinen verborgen zu bleiben, und wird zu seiner Zeit schon einmal hervorgehn und ausführen wozu ihn die Natur aufgefordert und bestimt, wir werden hier einander genißen so viel uns möglich seyn wird und villeicht nächstens den Vesuv mit einander besuchen, schade daß Du nicht dabey seyn kanst – ich hab mich bei Klingern erkundiget ob Du nicht seitdem Deine Briefe von Jacobi erhalten, es war mir sehr unangenehm daß er mir hirüber keine hinlängliche Auskunft geben konte, vermuthlich aber wirstu Deine Wechsel schon erhalten haben – apropo was Klinger mit Dir vorhat, die Versorgung nach Petersburg gefällt mir nur halb ob Du gleich dort sehr wohl stündest und dieße Stelle wie michs däucht ganz Deinem Carrackter und Denckungsart gemäß ist und Du dabey in Ruhe alle Deine Projekte ausführen köntest, so mag ichs doch nicht leyden weilen ich ohne Hofnnng baldigen Wiedersehens Dich so auf immer verlieren müßte. Doch folge Deinem Herzen, oder vielmehr Deiner Vernunft und laß den Narren schreyen wenn er sich nicht in Zeit und Umstände gerne schicken will – – –

Lebe wohl lieber Bruder ich schließe Dich an mein Herz – Grüße alles was sich mein erinnert und Dir lieb ist.

Bin ganz und gar
Dein
Müller.

*


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