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33. Gleim und Sucro an Kleist

Halberstadt, den 6. August 1750,
mittags um 12 Uhr.

Mein theurester Freund,

Nur ein paar Worte, mein liebster Kleist, nur ein paar muß ich mit Ihnen sprechen, da ich eine Staffetta abschicken muß. Wollte der Himmel, daß sie Jhrentwegen abginge und Sie an die Stelle des verstorbenen Ingelheims kämen! Wie lange habe ich nun keinen Brief von Ihnen! Macht denn Ihr neuer Freund, daß Sie Ihres alten, ersten, treusten Freundes schon etwas vergessen? Nein, dies muß er nicht machen, sonst kann er unmöglich ein echter Freund sein, und ich werde ihn nicht lieben, wenn er gleich Ihr Freund ist. Ich habe auch jetzt den lieben Sucro bei mir, und ich werde ihn bald beständig bei mir haben und durch ihn glücklicher sein; aber deshalb denke ich doch täglich und stündlich an meinen theuren Kleist. Ich mache, daß er mit mir an ihn denken muß, und wir wünschen nur immer, daß er auch bei uns sein möchte.

Gleim.

Ich danke es meinem lieben Gleim, daß er meiner in seinem Briefe an Sie bereits gedacht hat; aber ich kann es dennoch nicht übers Herz bringen, eigenhändig Sie, allerliebster Freund, zu versichern, daß ich Sie zärtlichst liebe und hochschätze und mich glücklich nenne, daß ich hier einen Freund finde, der so wie ich in Ihrem Andenken das größte Vergnügen findet. O, wie oft werden wir uns Ihrer noch erinnern! Wenn Sie nur nicht so schön gesagt hätten: »Zu viel, zu viel vom Verhängniß im Durchgang des Lebens gefordert!« Sie hätten es nicht gesagt, wenn's nicht wahr wäre, daß wahre Menschenfreunde nur selten bei einander wohnen. Ich beschwöre Sie, mich lieb zu behalten und Ihren Freund um ein Bißchen Liebe für mich zu bitten.

Sucro.

*


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