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147. Bürger an Goethe

(Niedeck), den 6. Febr. 1775.

Laß dich herzlich umarmen, oder, da du mir zu hoch stehst, deine Kniee umfassen, du Gewaltiger, der du, nach dem großmächtigsten Shakespear, fast allein vermagst, mein Herz von Grund aus zu erschüttern und diese trockenen Augen mit Thränen zu bewässern! Gestern Abend erst hab ich Werthers Leiden gelesen. Du bist mir diese Nacht im Traum erschienen, und ich habe – mein Weib hats gehört – in deinen Armen überlaut geschluchst – Aber wozu schreib ich dir das? Soll etwa dich – dich! der du Werthers Leiden so malen konntest– soll dich mein armseliges Lob kitzeln? oder will ich durch Bestechung mein Nichts bey dir zum Etwas geltend machen? Halt, laß nachdenken! Wenns so wäre, wollt ich gleich diese Zeilen wieder vernichten. – – –

Wie wenn mir ein Grab aufstieße: Hier liegt Shakespears – hier liegt Göthens Gebein! beyde sähen und hörten mich nicht; irgend ein anderes lebendiges Geschöpf säh und hörte mich eben so wenig? – O, ich fiele gewiß nieder auf mein Angesicht, voll nahmenloses Gefühls, meine Arme über der heiligen Stätte zu verbreiten und sagt es, nein wahrlich! prahlt es gegen Niemand wieder, daß ichs gethan hätte. – Täuschest du mich nicht Gewissen? Nein! Nein! – Nun wohlan denn, du Bester, so nimm dies hin, als ein reines untadelhaftes Dankopfer für deine herrliche Gabe! –

B.

*


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