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300. Mörike an Wilhelm Waiblinger in Stuttgart

[Urach, den 12. Februar 1822.]

Nicht lange nach unserer Rückkunft.

Du bist nun wieder fort! und jetzt, da Dus bist, treibt michs recht eigentlich, Dir alsbald ein Schreiben nachzusenden, wenns auch nicht groß ausfallen sollte.

Vor allem wünsche ich Dir den Eindruck zu vergegenwärtigen, den Dein Besuch bei mir zurückgelassen hat: doch müßt ich nicht besorgen, nicht ganz verstanden zu werden? Aber das halte Du für wahre Herzenssprache, daß ich Dich ungemein, ungemein lieb gewonnen habe, daß ich Dir um den Hals fallen möchte, Dir guter Kerl! Und in Wahrheit, Dein Hiersein hat einen guten, schönen Entschluß neu bei mir belebt.

Wie bist Du hinuntergekommen?

Nachmittags, wo in der Geschichtstunde einigemal der Städtenamen Waiblingen genannt wurde, konnte meine Hand beim Nachschreiben das r nicht los werden; auch während unseres eiligen Heimkehrens zum Kloster sprachen wir immer von Dir.

Schick doch bald Dein Tagebuch wieder und schreibe etwas Eigenes auf beiliegendes Blättchen, das in mein Stammbuch gehört! ich meine: etwas von Dir, nicht wahr? Auf die Hinterseite nach mir den versprochenen Namenszug von Goethe! ...

Beiliegendes Liedchen leg ich bei, damit Du etwas mehr zu lesen hast, als Dir dieser Brief allein gäbe. Es entstand kurz vor Deiner Hieherkunft auf eine üble Nachricht, und das, daß es mir aus der Seele floß, ists allein, was dieser Kleinigkeit einigen Wert gibt; die Hütte ist dieselbe, von der ich Dir schon gesagt.

Lebe wohl und liebe mich!

Dein
Eduard Mörike.

*


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