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64. Wieland an Gleim

Weimar, November 1774.

Nein, mein geliebter, verehrter, herzlich und innig geliebter und verehrter Vater Gleim, so lang Ihr Wieland lebt, sollen Sie keinen andern Winkel des Erdbodens zu Ihrer Retirade suchen, als den, wo Ihr Wieland lebt, wo er mit dem Weibe seines Herzens, und mit den Kindern die ihm Gott gelassen hat, lebt, und um das Gelübde, das er Gott über der Leiche seines Sohns – so jung er starb, so versprach er doch schon einen Sohn, der besser als sein Vater worden wäre – gelobt hat; um dieß Gelübde – was für Eines, lassen Sie Ihr Herz sich sagen – unverbrüchlich zu halten, hat er einen solchen Gefährten seines übrigen Lebens vonnöthen, wie sein Gleim ist.

Bester Gleim, noch sind mir alle Nerven meines Körpers schwach und krank, der Stoß war zu stark und unerwartet – ich kann noch nicht schreiben, aber ich beschwöre Sie bei der Urne meines theuern Schmerzenssohnes, denken Sie an keinen andern Winkel der Erde, als wo Ihr Wieland ist. Kommen Sie, lassen Sie uns Eine Familie ausmachen; nehmen Sie an allen meinen Unternehmungen Theil; seyn Sie mein Vater, mein Bruder, mein Freund, der Mitvater meiner Kinder, der Bruder des Engels in dessen Armen, in dessen Herzen meine Seele Ruhe findet. Mein Weib, meine Mutter, sogar meine kleine Sophie, wir alle athmen im gleichen Augenblick den nähmlichen Wunsch, die nähmliche Bitte aus vollem Herzen aus.

Kommen Sie, es soll Sie nie gereuen; Sie werden zu guten Menschen kommen,und dieWonne fühlen, uns alle besser zu machen.

... Ich kann nicht mehr schreiben, als, lebe wohl, edelster und bester unter den Sterblichen.

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