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238. Hoffmann an Hippel

Königsberg den 12. Jänner 1795.

Laß dich, lieber einziger Freund, das kleine Format meines Briefes nicht anfechten, ich wette, daß mancher, mit dem darauf geschriebenen, anderthalb Bogen füllen würde. Deine melancholische Stimmung, in der du die liebe Schwärmerei, die uns so manches mit Rosen bekränzt, was unbekränzt, unscheinbar und schlecht seyn würde, hinwünschest in das mitternächtliche Dunkel gänzlicher Vergessenheit und Entsagung, ist doch wieder Schwärmerei, nur etwas anders nüanciert, ich glaube, daß der Zustand gänzlicher Gefühllosigkeit und Vernichtung unserer selbst nur immer imaginär ist, denn die Wirklichkeit möchte immer doch zu dem unglückseligsten gehören, was unsern Geist treffen kann. Frei zu seyn, so viel wie möglich, von den wirksamen Eindrücken unserer Ereignisse, bestimmt den Begriff des Philosophen; doch dahin zu kommen zu dieser hohen Stufe gänzlicher Apathie, wäre für mich wenigstens nicht Glück ... So lange wir uns nicht entkörpern, und unsere Sinne nicht scheiden können von unserm Geist, müssen wir die Schwärmerei nicht von uns verscheuchen. – Sie ist uns das, was einem Gemälde das Colorit ist – sie erhöht jede Idee, die unsern Geist beschäftigt, sie verbreitet über uns bei jedem Gedanken von Glück eine wohltätige Empfindung eines sanften Entzückens; Freundschaft und Liebe (nicht Liebe und Freundschaft) erhalten nur durch sie ihren Werth. – Und sage noch überdieß: jede große Handlung, die je geschah – war nur das Motiv Patriotismus, Freundschaft etc. sage – bewirkt nicht immer Schwärmerei dieselbe? – denn diese tritt sogleich ein, wo kalte ruhige Überlegung aufhört. – Wozu diese ganze Lobrede; – ich appelliere an dein inneres Gefühl und deine innere Überzeugung.

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