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187. Johannes Müller an Bonstetten

Schafhausen, den 19. Mai 1773.

Ganz Ihr eigen, mit Leib und Seele bin ich Ihr eigen, bester und edelster Freund! So empfindsam, so liebenswürdig kannte ich Sie nicht, da ich Zürch verließ, als mir Ihre Briefe Sie mahlen. Meine Empfindungen wallen zu sehr für Sie, als daß ich sie Ihnen schreiben könnte, – – – so sey wenigstens unsere Freundschaft getreuer, enger und unveränderlicher, als vielleicht kaum eine seit Montaigne war. Unter uns hören die Geheimnisse auf, und der gute Ton macht dem vertrauten Ton zärtlicher Freundschaft Platz. Glauben Sie mir, Sie schweben mir immer vor Augen; » An Bonstetten gedenke ewiglich« schrieb ich vorgestern in das Tagebuch, welches die vornehmsten Begebenheiten meines Lebens und meine täglichen Maximen enthält. So warm ich fühle, so liebe ich Sie aus Grundsätzen doch ebensosehr. Es ist mir ein gewaltiger Beweggrund, meine mehrere Cultur zu betreiben, daß ich Ihrer immer würdig bleiben möchte. Seyn Sie in meinem Herzen der Ersten einer oder der Erste; wenige welche ich Freunde aus Wohlstand nenne, wohnen in meinem Herzen, und Sie beherrschen es. Ich habe Gleim den Dichter sehr geliebt, ich schätze den Geschichtschreiber Schlözer sehr hoch; Wattenwyl von Belp war sehr mein Freund, ich habe eine Menge Bekannte und redliche Freunde in Helvetien, Füßlin von Zürch ist der beste unter denselben, in Schaffhausen bin ich vielen recht gut, und habe Einen wahren Freund, den ausgenommen, mein guter Freund! liebte ich niemand wie Sie, fand ich bei keinem solche Sympathie der Gesinnungen, des Geistes und der Neigungen, und ich fand mich schlechterdings nie so in der Nothwendigkeit, irgend einem so ganz mein Herz zu schenken. Wären Sie, edler Bonstetten! mir nicht getreu, so würd' ich keinem Menschen mehr trauen. Hand in Hand! wollen Sie meine Denkungsart und meine Neigungen in gewissen Nüancen genauer kennen, ich entdecke Ihnen dieselben so redlich wie Montaigne; dem Freund meines Herzens weiß ich nichts zu verschweigen. Geweihet Hab' ich – Ihrem schriftlichen Umgang meine besten Stunden, Ihrem persönlichen Genuß entweder die Zeit vom Ende des Septemb. bis Martini, oder, wenn Sie nach Italien gehen, vom Ostertage bis Pfingsttage 1774. Diese Zeit Hab' ich alle Jahre frei. Dann lernen wir den tiefsten Grund unserer Herzen kennen und erinnern uns aller der schönen Abentheuer seit jenen alten Jahrtausenden. Wahrhaftig! Sie fehlten mir, Sie suchte ich, Sie war ich so glücklich endlich zu umarmen. Ich sage alles dies nur Ihnen, denn wer den Enthusiasmus sympathetischer edler Menschenseelen nicht fühlt, dem deucht er lächerlich. Ihr Briefchen aus Baden machte mir besonders glückselige Stunden. Seigneur, faites – moi un ami, qui suffise à mon coeur et à mon esprit! Die glückliche Zusammenstoßung vermißte ich immer, und fand sie bei Ihnen unter allen mein Bekannten am meisten. Enfin, je suis tout a toi. –

– – – In Ihren Briefen lese ich das am liebsten, was Sie und mich unmittelbar, oder allein Sie angeht. Denn für nichts in der Welt bin ich so empfindlich, als für Freunde wie Sie. Ich habe diesen Augenblick abgespeist, was gäb' ich, wenn ich Sie hieher bannen könnte! von meiner Treue wird die Zeit Sie überzeugen, ich bemühe mich immer nicht nur gut, sondern auch stark und feste zu seyn, in der Freundschaft so eisern als Karl XII. zu Warniza im hölzernen Hause. Wenn ich zu Ihnen komme, so bleibe ich nicht in Bern, denn zu Valeyres hoffe ich Sie ungeteilter zu genießen.

Adieu, mon cher Bonstetten!
Votre

Müller.

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