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204. Schleiermacher an Friedrich Schlegel

Berlin, den 27. April 1801.

Da hast Du mir freilich wieder einmal geschrieben, lieber Freund; aber ich kann nicht sagen, daß ich was unsre und Deine literarischen Angelegenheiten betrifft sonderlich davon erbaut wäre. Ja wenn ich aufrichtig sein soll muß ich Dir gestehen, daß Du durch die Art wie Du den Platon und meinen Antheil daran behandelst, das Mögliche thust, um mir die Lust zur ganzen Sache zu verleiden. Ich bot diesem Werke so gern die Hand, nicht weil ich glaubte daß es durch meinen Beitritt besser werden würde, sondern weil ich mich innerlich freute etwas gemeinschaftliches mit Dir zu vollbringen, und nebenbei weil ich hoffte die Rücksicht auf diese Gemeinschaft würde Dich zu etwas mehr Ordnung und Stätigkeit in der Seele bewegen. Beides ist wie ich sehe gar nicht der Fall; Du treibst den gewohnten Wechsel zwischen eilfertigen Anstalten und langen Zögerungen, zuversichtlichen Verheißungen an den Verleger und leeren Vertröstungen ebenso ungestört als ob Du allein interessirt wärest. Und mit der Gemeinschaft will es auch nicht viel sagen. Auf meine Thätigkeit nimmst Du keine Rücksicht; keine Zeile Erwiederung auf alles was ich schon gegen Dich geäußert habe, kein Schatten eines Urtheils über alles was Du nun schon seit länger als einem Monat von mir in Händen hast, so daß ich nicht einmal weiß ob Du es schon gelesen hast oder nicht. Dies liegt über alle Entschuldigung hinaus; denn wie kann ich weiter arbeiten ehe ich nicht weiß ob ich nicht vielleicht Deiner Meinung nach auf einem ganz falschen Wege bin? Weder der Boccaz noch die Correcturen, noch der Tribut des Frühlings kann dies rechtfertigen. Und von Deinem Thun erfahre ich gar nichts. Kein Wort davon, ob Du schon etwas am Parmenides gearbeitet hast oder nicht, ob Du die Abhandlung über das Studium noch voranschicken willst wie ich wiederholt gebeten habe oder nicht; ja nicht einmal was schon da ist – ich meine die Dissertation die denn doch Ideen enthalten muß – theilst Du mir mit, welches ich, wenn ich nicht so hohe Begriffe von Deiner Nachlässigkeit hätte, eher für absichtlich halten müßte, besonders da Du nur eben ein Paket an Wilhelm geschickt hast. Du wirst begreifen, daß wenn ich mir dieses so vier oder fünf Jahre hindurch immer fortgehend denke, mir, wie Du meine Natur kennst, die Haare dabei zu Berge stehen müßen. Hierzu kommt noch daß ich bis diesen Augenblick nicht weiß, wie Du in Hinsicht auf die literarische Welt meinen Antheil betrachten und kundgeben willst. Du siehst leicht, daß wenn ich von Deiner Arbeit gar keine Kenntniß habe (und ich sehe nicht ein, wie Du es bei diesen Zögerungen möglich machen willst, mir irgend etwas vorher zu schicken) auch von den Veränderungen, die Du in meiner Arbeit vornimmst, nichts erfahre, ich eigentlich gar keine öffentliche Verantwortlichkeit übernehmen kann, und es also ganz unnüz wäre meinen Namen zu nennen.

Uebrigens protestiere ich noch einmal gegen jeden Gebrauch der Anmerkungen zum Phaidros wie sie jezt sind. Heindorf's Bearbeitung wird so bald noch nicht erscheinen, also muß alles was sich aus dieselbe bezieht anders eingerichtet werden, und da er jezt wieder so gesund ist, daß man von ernsthaften Dingen mit ihm reden kann, so ist es billig eine Art von Rücksprache mit ihm darüber zu nehmen.

Und nun lieber Freund habe die Liebe gegen mich und nimm dies alles nicht herber, als ich es gesagt habe; es sind Klagen deren ich mich nicht erwehren kann, die aber der Freundschaft gar keinen Eintrag thun.

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