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220. Novalis an Friedrich Schlegel

Weißenfels 14. März 1797.

Dein Brief hat mich in einer trostlosen Lage getroffen. Ich bin aus Grüningen mit der fast apodiktischen Gewißheit zurückgekommen, daß Sophie nur noch wenige Tage zu leben hat. Wenn ich nur immer weinen könnte; aber so bin ich in einer schlaffen ängstlichen Gleichgiltigkeit, die mir jede Faser lähmt. Es ist eine Verzweiflung in mir, deren Ende ich nicht absehe. Der Ekel, den mir alles, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einflößt, ist unbeschreiblich. Nur selten kann ich mich auf einige Stunden mit Arbeiten zerstreuen. Der Kopf ist in dem wüstesten Zustande, ich kann nichts mehr finden. Die Gewißheit ihres Besitzes ist mir unentbehrlich geworden. Jetzt erst fühle ich, wie sie mir selbst unmerklich der Grundstein meiner Ruhe, meiner Tätigkeit, meines Lebens gewesen ist. Der ganze Lebensüberdruß ist entsetzlich – und ich sehe kein Ende. Ich hoffte, die Wissenschaften sollten mir einen Ersatz bieten, aber alles ist auch hier tot, wüste, taub, unbeweglich. Der Schlaf ist meine einzige Wohlthat, wenn ich kann so schlafe ich. Gott weiß, wie sich das alles lösen soll. Dich säh ich doch gern, Du würdest mich doch vielleicht mit Deinen kräftigen Ansichten der Dinge und Wissenschaften beleben. Ach! nur ein Funken Lebensgeist; matte Unruh ist ein fürchterlicher Zustand.

Leb wohl, guter lieber Schlegel, mit mir hats bald aufgehört. Sei glücklicher als ich. Nur ein Wunder kann mich mir selbst wiedergeben. – –

*


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