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144. Goethe an Herder

Sollt' ich nun auch dem Liebesboten kein Zettelchen von mir anhängen! Nein, so arm sind wir noch nicht, Herder. Gott weiß, wie wir Dich lieben, und ein Ries Papier hättest Du an den Unterredungen mit Dir diese Zeit. Ich danke Dir für Deine Briefe und den Segenswunsch, überbracht von Ossian. Wir sind die Alten, ein wenig herüber hinüber modificirt, thut nichts zur Sache. Und wenn Du aufs Frühjahr kommst, wirds herrlich sein. Mein Vater läßt Dich grüßen, und Du sollst unter sein Dach treten, mit Gastliebe, das versteht sich von selbst; ich habe nun mein Gewissen gegen ihn befreit. – Meine Schwester Caroline ist ein Engel, und wie sie Dich liebt! ich bringe Dich ihr, darüber haben wir schon viele Paradiese geträumt.

Indessen lebe wohl, und lasse zu uns fließen aus Deinem Herzen Gut's und Lieb's. Auch die Paulusgabe mit der Du uns zu Zeiten anblitztest, o Dechant, ist uns köstlicher, denn Myrrhen, thut wohl wie Striegel und härn Tuch dem aus dem Bade Steigenden. –

Ich bin jetzt ganz Zeichner, habe Muth und Glück. Freute mich von Herzen, wie Du Antheil an Erwinen nahmst. Merck versificirt und druckt. Wir bespiegeln uns in einander und lehnen uns an einander, und theilen Freud' und Langweile auf dieser Lebensbahn. Und Du, säume nicht zu kommen.

(Darmstadt den 5. December 1772.)

Goethe.

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