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2.

(Als er Gott um Beständigkeit im Guten anflehte.)

Welch süß- und holder Gnadenstrahl
Verwandelt mich von innen?
Was raubt mir so bald auf einmal
Die alten Wünsch' und Sinnen?
Mein Herz ist froh, mein Geist wird frei
Und reißt der Lüste Band entzwei,
An dem er stark gehangen.

Ach Gott, erhalt den guten Trieb
Und treib aus Funken Flammen;
Jetzt hab' ich deine Rechte lieb,
Jetzt lern' ich mich verdammen,
Jetzt find' ich Lust in Kreuz und Pein;
Die Seele muß geläutert sein
Und über Felsen steigen.

Laß jetzo die Barmherzigkeit,
Mein Vater, dich nicht halten,
Nein, laß vielmehr durch Schlag und Leid
Mein festes Herz zerspalten;
Schmeiß deinen Zorn in Fleisch und Blut,
Weil so ein Schmerzen linder thut
Als Balsam auf der Scheitel.

Mein ewig Glücke kann kaum blühn,
Wofern ich ruhig lebe
Und, dort den rechten Schatz zu ziehn,
Mich nicht der Welt begebe;
Gewohnheit ist ein eisern Kleid,
Zerreiß es durch die Traurigkeit
Gewaltig starker Pfeile.

Verflucht sei Sorgen, Fleiß und Zeit,
Die ich der Welt verpfändet
Und auf den Dienst der Eitelkeit
So sinnlos angewendet!
Verflucht sei alle Wissenschaft,
Die nicht mit deiner Weisheit Kraft
Des Nächsten Heil gebessert.

Mein Heiland! Hilf mir wider mich
Mit deiner Demuth kämpfen
Und lehre mich vernünftiglich
Auch fremde Schwachheit dämpfen!
Komm, stelle meine Sünd' ans Licht
Und laß dein holdes Angesicht
Mich stets zur Beßrung reizen.


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