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33.

(Abschiedsgedanken bei Gelegenheit einiger schweren Leibeszufälle.)

Bei so nahen Todeszeichen
Zittert meine Schwachheit nicht;
An den Seiten kalter Leichen
Weiß ich, daß mein Joch zerbricht;
Andre mögen schwitzen liegen
Und für Zagheit nur nicht schrein;
Ich erblicke mit Vergnügen
Den erwünschten Abendschein.

Müder Geist, hör' auf zu klagen,
Kampf und Lauf sind bald vollbracht;
Die Empfindung aller Plagen
Schwindet in der letzten Nacht,
Wo mich kein Verfolger dränget,
Wo mich keine Furcht mehr schreckt,
Die sich hier in alles menget
Und oft Ueberdruß erweckt.

Strebe nur nicht mehr nach Dingen,
Die ein eitler Wunsch begehrt!
Was wir außer uns erschwingen,
Ist fürwahr der Müh nicht werth.
Laß die Sehnsucht, viel zu wissen,
Nebst der Ruhmbegierde fliehn;
Die Gewalt von höhern Schlüssen
Läßt dadurch dein Glück nicht blühn.

Glaube nur, auf deine Bitte
Wird kein Zeiger rückwärts gehn,
Und des morschen Leibes Hütte
Kann so lange nicht mehr stehn;
Feuer, Muth und Kraft verrauchen,
Und indem ich klüger bin,
Zeit und Jugend erst zu brauchen,
Sind sie wie ein Schatten hin.

Was verzögerst du so lange?
Reiß dich doch mit Großmuth los!
Macht dir so ein Wechsel bange?
Die Verändrung ist zwar groß;
Doch beherzt! Aus diesem Leben
Ist in jenes nur ein Schritt,
Und du kannst dich froh erheben,
Weil die Weisheit mit dir tritt.

Diese ließ dich oftmals hören,
Wie man ruhig sterben kann;
Dir gefielen ihre Lehren,
Wende sie zum Vortheil an!
Zeige, wie vorhin im Leide,
Daß dein unerschrockner Muth
Dich vom Pöbel unterscheide
Der am Ende kläglich thut.

Wohl, mein Geist, ich seh' und merke
Deines Glaubens Zuversicht
Nebst der ungemeinen Stärke,
Die schon aus dem Kerker bricht.
O, welch innerlich Ergetzen
Macht mich erst im Tode reich?
Der Genuß von allen Schätzen
Kommt der Wollust wohl nicht gleich.

Fleuch, mein Geist! Nein, bleib und säume,
Bis noch eine Lebenspflicht
Durch den Abschied kurzer Reime
Von dem letzten Willen spricht!
Ihr Verleumder dörft nicht lachen,
Daß mein Hausrath Armuth ist;
Günther kann noch was vermachen,
Warum wär' er sonst ein Christ?

Schöpfer, nimm mein Blut und Leben,
Nimm das anvertraute Pfund,
So du mir an Witz gegeben,
Und gedenk' an deinen Bund!
Wuchert gleich mein Fleiß im Kleinen,
Ist er dennoch hoch gebracht,
Wenn sein Beispiel auch nur Einen
In der Wahrheit fest gemacht.

Held, auf den ich mich verlasse,
Richter, Schatz und Seelenfreund,
Den ich brünstiger umfasse,
Als wohl jemand denkt und meint!
Nimm, was du dir selbst erlesen,
Nimm und heb mein Schuldbuch auf!
Will es ja die Rache lesen,
O, so blute vor darauf!

Geist des Trostes und der Gnade,
Die mir liebreich nachgeeilt
Und im ersten Sündenbade
Schon die Seligkeit ertheilt,
Lege meines Glaubens Siegel,
Leg' es zur Verwahrung bei,
Bis es dort auf Salems Hügel
Meiner Stirne Brautschmuck sei.

Buße, fang die milden Thränen,
So mir jetzt in Augen stehn,
Und mit wehmuthsvollem Sehnen
Zur Erbarmung opfern gehn.
Kann sie deine Hand nicht fassen,
Suche des Erlösers Grab,
Der sein Schweißtuch hinterlassen;
Dieses trocknet alles ab.

Euch, ihr Sünden meiner Jugend,
Ohne die so leicht kein Mann
Weder zu Verstand noch Tugend
Auf der Welt gelangen kann:
Euch Gefährten grüner Jahre
Schenk' ich der Vergessenheit,
Die mit euch in Abgrund fahre.
Ach, wie dauret mich der Zeit!

Feinden, welche meinem Schmerze
Mit Gespötte zugesehn,
Lass' ich mein versöhnlich Herze
Statt der Rache vor ihr Schmähn;
Freunden, die sich nur so schreiben
Und von Joabs Brüdern sind,
Soll mein Kreuz und Kummer bleiben,
Bis die Beßrung Kraft gewinnt.

Herz und Adern wollen springen,
Da ich halb verzweiflungsvoll
Durch kein Flehn noch Händeringen
Dich, mein Vater, rühren soll,
Dich, mein Vater, dessen Güte
Durch des Aberglaubens List
An dem redlichsten Gemüthe
Zur Tyrannin worden ist.

Unterdessen will ich schweigen
Und nach meinen Pflichten thun;
Läßt mich dein erhitzt Bezeigen
Auch nicht in der Grube ruhn,
So erwart' ich deine Liebe
In der Ewigkeit aufs neu
Mit dem Wunsche reiner Triebe,
Daß dein Tod ohn' Unruh sei.

Breßler, Kluge, Scharf und Mencke
Haben mehr an mir gethan,
Als ich kaum, wie weit ich denke,
Ihrem Lob erwidern kann.
Väter armer Pierinnen,
Seid zufrieden, wenn mein Geist,
Euer Mitleid zu gewinnen,
Einen Blick voll Ehrfurcht weist.

Du mein Unglück auf der Erden,
Allerliebste Redlichkeit!
Die du mich bei viel Beschwerden
Gleichwohl als mein Schatz erfreut,
Geh nur aus der Marterkammer,
Aus der Höhle meiner Brust,
Da du dir zum größten Jammer
Allzeit selber schaden must.

Geh und suche besser Glücke
Und ein würdig Haus vor dich!
Sieh nur, was ich schon erblicke:
Beuchelts Herz eröffnet sich.
Zeuch allhier mit einem Segen
Und mit der Versichrung ein,
Günther hoffe deinetwegen
Seiner Freundschaft werth zu sein.

Treuer Candor in der Ferne,
Der du mich zuerst gelehrt,
Was zur Wissenschaft der Sterne
Und zur Seelenruh gehört,
Dir bescheidet meine Bahre,
Die kaum sechsundzwanzig zählt,
Jenen Rest der Lebensjahre,
Der mir noch zum Alter fehlt.

Was ich etwan noch vor Gaben
In der Armuth übrig weiß,
Sollt ihr drei Vertrauten haben,
Hoffnung und Geduld und Fleiß.
Brüder, laßt euch diese führen
Und erhebt euch in die Welt,
Bis dadurch auch mein Studieren
Erst in euch den Lohn behält.

Aber, ach, welch zärtlich Weinen
Zieht mir jetzt das Herz empor!
Kommen Seufzer aus den Steinen,
Oder täuscht' ein Traum mein Ohr?
Phyllis schwebt mir in Gedanken,
Phyllis, das getreue Kind;
Jetzund will die Großmuth wanken,
O was Hoffnung geht in Wind!

Phyllis, die mich lieben würde,
Wenn mein Elend noch so schwer,
Und die ärmste Schäferhürde
Ihre Morgengabe wär,
Phyllis, die an Geist und Gliedern
Gleiche Kraft und Schönheit trägt,
Und, die Treue zu erwiedern,
Sich schon krank darnieder legt.

Holde Liebe, sei gesegnet!
Geh zur Phyllis, sprich ihr zu,
Daß sie, wenn ihr Antlitz regnet,
Nur nicht gar zu heftig thu.
Sprich, ihr Herz und Angedenken
Hab ein großes Theil von mir;
Wird man denn auch sie versenken,
Sterb' ich noch einmal in ihr.

Sage, du begriffne begriffen, gespielt. Leier,
Wem ich dich vermachen darf;
Tausend wünschen dich ins Feuer,
Denn du rasselst allzu scharf.
Soll ich dich nun lodern lassen?
Nein. Dein niemals fauler Klang
Ließ mich oft ein Herze fassen
Und verdienet bessern Dank.

Soll ich dich dem Phöbus schenken?
Nein! Du bist ein schlechter Schmuck
Und an Helicon zu henken,
Noch nicht ausgespielt genug.
Opitz würde dich beschämen,
Flemming möchte widerstehn.
Mag dich doch die Wahrheit nehmen
Und mit dir hausiren gehn!

Auf, mein Geist! Nun fällt der Kummer
Eher, als du selbst geglaubt.
O, was vor ein sanfter Schlummer
Wartet auf mein müdes Haupt!
Stolzer Neid, hör' auf zu pochen!
Oder bist du noch nicht satt,
O so friß an meinen Knochen,
Und verschone dieses Blatt!


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