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28.

(An seine Schöne in Borau, den 22. August 1719.)

Nun Kind, ich kann dich nicht mehr bitten,
Behalt mein Herz in treuer Brust!
Das Denkmal deiner muntern Sitten
Erweckt mir auch von weitem Lust,
Und wo ich reise, wohn' und bin,
Da folgt mir dein Gedächtniß hin.

Ein Waldhorn klingt bei Abendstunden
Von weitem durch die Gärten schön,
Es reizt das Blut verliebter Wunden
Und läßt die Geister flüchtig gehn;
Jedoch ergetzt mich das Gehör
Von deinem Wohlsein noch viel mehr.

Das Glücke spielt mir tausend Possen
Und lockt mich auf des Hofes Eis,
Ich folg' ihm klug und unverdrossen,
So gut ich seine Tücke weiß;
Die Vorsicht leite, wie sie will,
Ich halt' in allen Wettern still.

Die Gegend, wo ich jetztund dichte,
Ist einsam, schatticht, kühl und grün;
Hier hör' ich bei der schlanken Fichte
Den sanften Wind nach Schweidnitz ziehn,
Und geb' ihm allzeit brünstiglich
Viel tausend heiße Küss' an dich.

Hier kann ich mich der Zeit bequemen,
Hier ist mir Still' und Ort geneigt,
Die große Rechnung vorzunehmen,
Wie viel mir Schweidnitz Guts erzeigt;
Doch alles, was ich schätzen kann,
Das kömmt auf deinen Umgang an.

Der Umgang wurd' uns sonst verboten,
Wir suchten die geheimste Bahn,
Wir riefen die verwandten Todten
Zu Zeugen unsrer Freundschaft an
Und ließen bei verschwiegner Pein
Den Kirchhof unsre Freistatt sein.


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