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33.

(An Herrn M. von R(eibnitz) I. V. C. Anno 1720.)

Gesundheit, Glück und Trost und alles ist nun hin;
Mich wundert, daß ich noch der Feder mächtig bin,
Allein, sie merkt es fast, wer da, nicht ich, geschrieben.
Der Himmel sei verehrt, der, da mich vieles preßt,
Mir gleichwohl noch den Schatz von wenig Freunden läßt,
Die nicht aus Eigennutz noch blinder Einfalt lieben.

Du bist, ich rühme mich auch bei der Spötter Hohn,
Von meiner Poesie der erstgeborne Sohn
Und krönst dadurch mein Haupt mit neuen Lorberzweigen;
Mein Herz ist von Natur so gut und treu gesinnt,
So bald ein Mensch nur Lust zur Wissenschaft gewinnt,
So wallt' es vor Begier, ihm Rath und Weg zu zeigen.

Ich hab' ein kleines Pfund an Weisheit und Verstand;
Es würde dann und wann mit Nutzen angewandt,
Wofern nur Feind und Noth den Vorsatz nicht betrögen;
Jedennoch wenn auch nur ein einzig Wort bekleibt,
Und mancher, der mir buhlt buhlen, c. dat., sich um Liebe bewerben., dem Zwecke näher treibt,
So tröstet sich mein Geist, er wuchre nach Vermögen.

Ein grob- und rauher Stein macht Eisen blank und scharf,
Dieß Gleichniß zieh ziehen, beziehen. auf mich; wofern ich rathen darf,
So folge, werther Freund, dem aufgegangnen Lichte,
Bau' eifrig auf den Grund, den Wolf und Leibnitz legt,
Lies, prüfe, denk' und schreib. Was eigner Fleiß nicht regt,
Das, wär' es noch so gut, kriegt selten reife Früchte.

Erkennest du auch dich und Vieles, was die Welt
Der forschenden Vernunft zur Uebung vorgestellt,
So fang behutsam an, dein Glücke festzusetzen,
Versorge Seel' und Leib und setz' ihr Heil in Ruh;
Rast außen Neid und Sturm, so sieh mit Großmuth zu
Und lerne Farben, Schein, Beweis und Wahrheit schätzen.

Bewirb dich um den Kranz der wahren Dichterkunst,
Sie ist der Weisheit Schmuck und bringt der Nachwelt Gunst.
Wir leben, stirbt das Fleisch, im klugen Angedenken,
Sie weckt, besänftigt, straft, erbaut, ergetzt und nützt,
Giebt Enkeln Lust und Muth und macht den Geist erhitzt,
Der Wahrheit, die man haßt, ein gütig Ohr zu schenken.

Die Alten gehn dir vor, die nimm und lies mit Fleiß.
Ihr Vorzug kostet sie viel Nächte, Kunst und Schweiß;
Virgil beschreibt genau, Homer bewegt und lodert,
Anakreon macht voll voll, trunken., Catull kann zärtlich sein,
Horaz ist reich und hoch, der Schwan von Sulmo Sulmo im Sabinerlande, Geburtsort Ovid's. rein,
Und, was der Sappho fehlt, ist, daß man Mehrers fodert.

Der Neuen Kunst fällt ab; doch geht Petrarcha mit,
Der nebst noch wenigen die rechte Straße tritt,
Sonst hass' ich insgemein der Welschen hohe Grillen.
Was Ludwigs Gnadenglanz in Frankreich aufgeweckt,
Im Boileau, Racin' und Moliere steckt,
Das kann ja auch die Lust gelehrter Sehnsucht stillen.

Der Deutsche kommt fein spät. Vom Opitz halt' ich viel;
Der Geist des alten Gryph und Flemmings gründlich Spiel
Verdient die Ewigkeit so gut als Neukirchs Flöte;
Im Canitz find' ich Gold; die edle Lindenstadt
Versteht nicht, was sie schon an Rabners Justus Gottfried Rabener, geb. 1655, starb als Rector zu Meißen 1699. »Nützliche Lehrgedichte«, theils in Versen, theils in Prosa. Satyr hat.
Und manchem fehlt August, sonst würd' er ein Poete.

Verdirb dein Urtheil nicht durch vielerlei Geschmack,
Hab' einen weisen Freund, der scharf erinnern mag,
Schreib wenig, aber gut, und schreite nicht auf Stelzen,
Und da der Phöbus stets dem Volke, das er liebt,
So wie auch Helden, nichts als Ruhm und Lorber giebt,
So halt' es dir vor Schimpf, mit Reimen Geld zu schmelzen.

Du willst nunmehr Bericht. Sobald ich Dresden ließ,
Beweint' ich brünstiglich der Sachsen Paradies,
Bis Hirschberg hielt der Fuß; drauf hinkt er, doch mit Freuden,
In Meinung, sich davor in Striegau Guts zu thun;
Hier dacht' ich mir, einmal mit Frieden auszuruhn,
Und in der Aeltern Schoß der Lästrer Pfeil zu meiden.

Ich ging, ich kam und sah, ach leider, nichts als Leid,
Kein Vater ließ mich vor. So viel vermag der Neid
Und List und Eigensinn und Haß und Aberglauben.
Die treue Mutter lag, die Schwester weint' und schwieg.
Ich zog mit Wehmuth aus; lieg, armes Striegau, lieg,
Ich mag schon keinen Scherf aus deiner Asche klauben.

Zwo Meilen führten mich nach Schweidnitz bei der Nacht,
Die Ankunft ward sogleich der Misgunst zugebracht,
Der Misgunst, der ich dort viel Hecheln angehangen:
Die Feinde drohten Lärm und schritten schon zur That.
Bleib, Schweidnitz, was du bist! Ich kenne deinen Rath
Und habe schon in dir mein Gutes längst empfangen.

Mit Sorgen, ohne Geld und durch die krümmste Bahn
Gelangt' ich wunderlich im großen Breslau an.
Ich zecht' auf Kreide los; was hilfts? Die Noth lehrt beten.
Man sperrte mir das Maul mit viel Befördrung auf,
Der Wind kam hinten nach und trieb mich hintern Lauf,
Eh Waffen, Feind und Schuld den kurzen Paß vertreten.

Zwei Stücke rühm' ich noch. Des klugen Breßlers Haus
Gewann mein Dichten lieb. Hier wurden Schlaf und Schmaus
Mit Lustgesprächen, Wein und Versen aufgezogen aufziehen, in die Länge ziehen?;
Voraus entzückte mich der schönen Wirthin Geist,
Die Salz und Feuer führt und in der Feder weist,
Es hab' ihr die Natur viel Pfunde zugewogen.

Mit was vor Lust und Schmerz gedenk' ich noch an dich,
Du ruhiges Camin; bei dir ergetzten mich
Ein Baro in der That, und einer nach dem Namen.
Der letzte scherzt galant, der erste spricht gelehrt,
Kennt Wirthschaft, Hof und Vers, was ward da nicht gehört,
Wenn Thor und böse Zeit uns auf die Zunge kamen?

Noch jenseit blickt ein Schloß auf unsern Oderstrand,
(Die Spötter suchen hier das Besenbinderland).
Auf diesem lernt' ich auch, daß alte Gunst nicht roste.
Was thut nicht, denke nach, Trunk, Freiheit, Liebe, Nacht?
So bald der zwölfte Schlag das Volk zur Ruh gebracht,
Vergaßen wir der Noth bei selbst gewürztem Moste.

Ein traurig Lebewohl beschloß die keusche Lust;
O Himmel, daß du stets so grausam wechseln must!
Ich riß mich brünstig los, sie sah betrübt zurücke;
Verstehst du, wie man liebt, so bild es dir nur ein,
Was Thränen solcher Angst vor Scheidewasser sein.
Ich fühl' es, wenn ich nur das Abschiedslied erblicke.

Es geht auf Lauban zu: Ich messe Thal und Höh
Durch Graben, Regen, Wind, Frost, Unruh, Angst und Schnee.
Wie manches Nachtquartier beschwert mir Kopf und Lenden!
In Jauer stärkt mich Gorn, ein alt- und treuer Freund,
Mit Bette, Tisch und Rath und dem, was trostreich scheint,
Von Leuten meiner Qual Verzweiflung abzuwenden.

Mit Noth erreich' ich noch die Gränzstadt um den Queis,
Um den sich jetzt das Volk wohl kaum zu nähren weiß.
Die Armuth henkt sich auf, der Reiche will verzagen,
Der Hunger speist mit Lust von Eicheln, Wind und Stroh,
Kein Gleichniß gleicht der Noth; in Kabul war es so
Und dort, wo Mosis Stab den dürren Fels geschlagen.

So komm' ich überall dem Elend eben recht;
Hier lieg' ich nun gestreckt, die Kräfte sind geschwächt.
Den Schenkel will der Fluß, der Gram das Herze fressen,
Der Nordwind deckt mich oft mit Flocken durch das Dach,
Kein Freund, kein Mensch, kein Hund erfährt mein Ungemach,
Dieß kann ich auch sogar im Schlafe nicht vergessen.

Muß ist ein schwerer Trost, doch ists ein Trost vor den,
Der, was er mit Vernunft zuvor schon übersehn,
Auch durch Erfahrung lernt: Die Vorsicht kann nicht wanken.
Wer ist ein Thor und flucht auf Wetter, Zeit und Ort?
Der Schickung starker Trieb geht ungehindert fort,
Ohn' Absicht auf den Wunsch verdrießlicher Gedanken.

Gott lege, was er will, und was mir zukommt, auf,
Er wird und darf auch nicht den wohl bestellten Lauf
Der großen Creatur erst mir zu Liebe stören;
Sein Zweck ist überhaupt des Weltgebäudes Heil,
Wir, ich und auch mein Kreuz sind davon nur ein Theil
Und müssen auch den Schmuck der ganzen Ordnung mehren.

Dieß merke, werther Freund: Es drückt auch dich ein Joch,
So schlepp' es freudig mit; mein Herz empfindet noch,
Die Seele der Geduld will ich die Hoffnung nennen.
Das Glücke schläft recht aus, wofern ich scherzen mag,
Damit, wenn einmal kommt sein Auferstehungstag,
Wir desto muntrer sein und länger wachen können.

Das Ansehn unsrer Zeit droht Ländern hier und dar,
Man braucht nicht weit zu sehn, viel Jammer und Gefahr.
Ach, armes Schlesien, du liegst zu nah an Polen!
Gewiß, wir haben viel und große Ding' erlebt;
Laß sein, daß alles bricht und Erd' und Abgrund bebt;
Ein Weiser weiß den Trost bloß in sich selbst zu holen.

Karl hat Verdienst und Macht, der Herr ist Tempel werth,
Er siegt in West und Ost und giebt auf Blut und Schwert
(Was könnt' er Größers thun?) den Völkern Schutz und Friede.
Wer weiß, wie unverhofft sein Arm in deutscher Luft
Der Musen goldne Zeit aus ihren Winkeln ruft?
Europa, mache nur der Feinde Thorheit müde!

Der Herr, der Kronen nimmt, auch Kronen giebt und hält,
Erhalte Rudolphs Stamm, das Wunder unsrer Welt,
Und mehre durch sein Blut den Samen der Gerechten!
So lange Karl noch lebt, und Sachsens Raute blüht,
So lange fürcht' ich nicht, so schlecht es immer sieht,
Daß Neid und Barbarei in Deutschland siegen möchten.

Was etwan übrig ist (die Dinte wird fast hart),
Das haßt der Reime Zwang und will nur Gegenwart.
Ich habe viel mit dir; es wird sich ehstens schicken;
Schreib, eile, sei nicht kurz: ein Säugling sucht die Brust,
Die Sehnsucht, edler Freund, hat auch nur halbe Lust,
Den Kuß, der dir gehört, auf kalt Papier zu drücken.


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