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(Elidor an die Amaryllis, als sie ihn der Falschheit beschuldigte und daher brechen wollte.)
Amaryllis, hat mein Sehnen
      
 Dieses um mein Herz verdient,
      
 Daß mein Fluch von deinen Thränen
      
 Mit dem feuchten Grase grünt,
      
 Welchem meiner Liebe Brand
      
 Saft und Wachsthum längst entwandt?
      
 Hast du darum mich gebunden?
      
 War ich darum freudenvoll,
      
 Daß der Riß, so schnell verwunden
      
verwinden, verschmerzen.,
      
 Desto schärfer schmerzen soll?
Rufe nur den leichten Wellen
      
 Und dem grünen Ufer zu!
      
 Denn bei meinen Unglücksfällen
      
 Aendern sie so schnell als du,
      
 Ja, sie ändern Lauf und Ort,
      
 Und du änderst Herz und Wort.
      
 Seht, ihr angenehmen Wiesen,
      
 Elidor steht jetzt beschämt,
      
 Weil er die bei euch gepriesen,
      
 Die sich ihm nicht mehr bequemt.
Himmel, hast du einen Segen,
      
 Der auf Erden glücklich macht,
      
 O so sei er meinetwegen
      
 Amaryllen zugedacht!
      
 Ueberschütt' ihr Haupt und Brust
      
 Mit des Paradieses Lust! 
      
 Dieses wünsch' ich, mich zu rächen
      
 Vor dem falschen Selbstbetrug,
      
 Denn sich meiner zu entbrechen,
      
 Ist sie schon gestraft genug.
Aber ach, was soll die Rache?
      
 Was entbrechen? Nimmermehr!
      
 Was ich höre, seh' und mache,
      
 Rührt mich ihrentwegen sehr;
      
 Linden, Wasser, Feld und Stein
      
 Prägen mir ihr Bildniß ein
      
 Und erwecken meine Liebe,
      
 Die sie wider mich beschützt,
      
 Und indem ich mich betrübe,
      
 An der Seite weinend sitzt.
Amaryllis, hat mein Küssen
      
 Dich nur einmal recht vergnügt,
      
 Kannst du Zeit und Ort noch wissen,
      
 Die mein Herz an deins gefügt;
      
 O, so bitt' ich durch den Schwur,
      
 Der uns mit Bedacht entfuhr,
      
 O, so bitt' ich durch die Plagen,
      
 Die ich mir mit dir erwählt
      
 Und bisher mit Lust getragen:
      
 Lebe doch nur ungequält!
Nimm den Ring, das Pfand des Eides,
      
 Und behalt den leichten Flor,
      
 Denn die Menge meines Leides
      
 Stellt dir schon ein Trauren vor.
      
 Dein Verdacht und meine Treu
      
 Machen schon die Seele frei
      
 Und erlösen mich im Grabe;
      
 Und auf diesem soll allein,
      
 Daß ich dich betrogen habe,
      
 Meine schönste Grabschrift sein.
Lebe wohl mit deinem Kummer!
      
 Wo dich der nur leben läßt,
      
 Und verstöre meinen Schlummer
      
 Durch kein nasses Trauerfest. 
      
 Hier um diesen wüsten Thal,
      
 Der uns mehr als tausendmal
      
 Vor der Tadelsucht verborgen,
      
 Schneid' ich in den nächsten Baum:
      
 Elidor und seine Sorgen
      
 Suchten hier den letzten Raum.
Ist noch einer von den Hirten,
      
 Der die rechte Liebe kennt,
      
 Dem verbleibt mein Kranz von Myrten.
      
 O betrübtes Testament!
      
 Meine Schwachheit für ein Kind,
      
 Meine Hoffnung für den Wind,
      
 Meine Glieder dem Verwesen!
      
 Amaryllen leg' ich bei,
      
 Was sie sich schon selbst erlesen:
      
 Frühen Schmerz und späte Reu.