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11.

(An die Doris, als welcher er seine Liebe bei Gelegenheit eines Traumes entdeckte.)

Auf der blumenvollen Heide,
An der schattenreichen Bach
Sann ich jetzt der Augenweide
Des vergangnen Traumes nach,
Der mich darum drückt und quält,
Weil mir nunmehr wachend fehlt,
Was mir deine Lust vermählt.

O, was waren das für Glieder!
O, welch schöner Selbstbetrug
Riß mich vor Entzückung nieder!
O, da küßt' ich kaum genug,
Bis die Morgenröthe kam
Und aus Misgunst oder Scham
Bildniß, Lust und Schlummer nahm.

Unaussprechliches Ergetzen,
Soll ich dich nicht wieder sehn?
Nein, nach solchen theuren Schätzen
Darf ich wohl nicht wachend flehn.
Setzt dein Schatten meiner Ruh,
Schönste Doris, schon so zu,
Denke, was dein Antlitz thu.

Deiner Augen scharfes Blicken
Zeigt mir einen hohen Geist,
Der zum Herrschen und Entzücken
Gleiche Kraft und Anmuth weist;
Dieses ward ich mit Gefahr
Meiner Freiheit nächst gewahr,
Als dein Strahl die Glut gebar.

Doris, halt es nicht für Scherzen,
Ich verachte Spott und Neid,
Hätt' ich auch noch tausend Herzen,
Blieben alle dir geweiht.
Trag' ich einen Tropfen Blut,
Welcher dir kein Opfer thut,
So verzehr' ihn Gift und Glut!

Die Vergnügung wahrer Liebe
Ist nicht eben so gemein,
Der Gemüther gleiche Triebe
Müssen ihre Quellen sein;
Prüfe mich und sei vergnügt,
Daß ein Herz, so du besiegt,
Auch mit Ehrfurcht vor dir liegt.

Von der Wiege bis zur Bahre
Ist gar oft ein kurzer Schritt.
Doris, nimm die besten Jahre
Und die Lust der Jugend mit,
Eh der Lippen Mai verblüht,
Und die Zeit, so plötzlich flieht,
Farbe, Muth und Lust entzieht.

Kommt mein Ziel an Lebensschranken,
Wünsch' ich von der Phantasie,
Daß dein Bildniß in Gedanken
Mich der Welt vergnügt entzieh.
Dieses wünsch' ich und dabei,
Daß der Spruch der Grabschrift sei:
Klug, verschwiegen und getreu.


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