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21.

Akrostichon: Karl Willhelm (Täuber).

(Zuruf eines seligen Kindes aus der Ewigkeit an seine hochbetrübte Aeltern.)

Krönt, werthen Eltern, meine Leiche
Mit Myrten, Rosen und Jesmin
Und laßt die schönsten Blumensträuche
Auf meiner frühen Bahre blühn,
Nachdem der Engel Siegeswagen
Mich ins Gelobte Land getragen.

An mir ersaht ihr mit Erbarmen
Den schwersten Kampf der letzten Noth,
Es rungen die geschwächten Armen
Mit Jammer, Unruh, Angst und Tod,
Und durch die abgezehrten Glieder
Lief Schmerz und Elend hin und wieder.

Riß damals euer Herz in Stücken,
Und wollt' euch aller Trost entfliehn,
Da meiner Finger scharfes Zücken
Der Eitelkeit zu winken schien,
So gebt euch jetzo nur zufrieden,
Das Elend ist mit mir verschieden.

Laßt Perlen statt der Thränen fallen,
Die Unschuld braucht sie in mein Kleid.
Ach, hörtet ihr die Lieder schallen,
Woran sich jetzt mein Ohr erfreut,
Ihr würdet euch des Klagens schämen
Und um mein Glücke wohl nicht grämen.

Was hätt' ich euch für Müh' und Kummer
Vielleicht auf Erden noch gemacht,
Wofern mich nicht der letzte Schlummer
So zeitig in die Ruh gebracht!
Wie mancher Sorgen und Beschwerden
Entladet euch mein Grab auf Erden!

Jetzt bin ich der Gefahr entflogen,
Womit die List der bösen Welt
So wie des wilden Meeres Wogen
Die Jugend oft in Abgrund schnellt.
Jetzt kann mich weiter nichts verführen,
Ihr aber mich nicht mehr verlieren.

Legt also dem entseelten Leibe
Das Kleid der grünen Hoffnung an;
Denn weil ich euch zum Zeitvertreibe
Auf Erden nicht mehr dienen kann,
So werd' ich hier bei Salems Schätzen
Euch einmal desto mehr ergetzen.

Liegt irgend wo in eurer Kammer
Ein Spielwerk oder Kleid von mir,
So denkt dabei an meinen Jammer
Mit diesem Troste: Weit von hier!
Von hier, wo Herrlichkeit und Leben
Mein nicht mehr schwaches Haupt umgeben.

Hier wird die eingefallne Scheitel
Mit Glanz und Klarheit angefüllt;
Bei euch ist aller Reichthum eitel,
Da hier mein Wechsel ewig gilt,
Mein Wechsel, der nach wenig Tagen
Den besten Wucher eingetragen.

Es rührt mich weder Qual noch Schrecken
In Gottes weiser Allmachtshand,
Was wir hier hören, sehn und schmecken,
Ist euren Sinnen unbekannt.
Ach, gönnt doch eurem lieben Sohne
Die Freiheit vor des Lammes Throne!

Lobt den, durch dessen Vatergüte
Mein zeitlich Kreuz so bald vergeht,
Und glaubt, daß mein getreu Gemüthe
Vor Gott auch euer Lob erhöht.
Hier rühm' ich mit dem reinsten Triebe
Die Sorgfalt mir erwies'ner Liebe.

Mit diesem Danke nehmt für Willen für Willen, wie fürlieb: erkennt darin meinen guten Willen.
Und seht mir in den Himmel nach,
So wird sich alle Wehmuth stillen,
Womit ich euch das Herze brach;
Lebt wohl, und wünscht ihr mehr zu hören,
So kommt fein bald zu unsern Chören.


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