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18.

(An Selenen, als er ihr Kräuterthee schickte.)

Selene, was mich stets ergetzt,
Das ist die Freiheit, dir zu dienen,
Und was ich hier auch aufgesetzt,
Entdeckt ein wohlgemeint Erkühnen.
Die Krankheit, so dir jetzo droht,
Erschreckt mich ärger, als du denkest,
Doch, wo du mir Erhörung schenkest,
So hat der Anstoß keine Noth.

Ich weiß es zwar, dein hoher Geist
Vermag sich allemal zu fassen,
Und wie sein Wesen himmlisch heißt,
So kann er leicht die Welt verlassen;
Allein du kannst zu jeder Zeit
Noch früh genug zum Engel werden,
Und also gönne doch der Erden
Den Schmuck von deiner Seltenheit.

Bedenke doch nur den Verlust,
Wofern ein früh Verhängniß wollte,
Daß so viel Schönheit kluger Brust
In besten Jahren sterben sollte!
Laß die getrost zur Grube gehn,
Die Freude, Witz und Muth verlieren;
Du solst hinfort von neuem spüren,
Wie artig frische Myrten stehn.

Du bist ja sonst so sehr bemüht,
Dich nett und kostbar anzukleiden;
Denn wenn dich deines Gleichen sieht,
So hört und sieht man dich beneiden;
Jedoch bei aller dieser Tracht,
Du magst sie noch so schön ergründen,
Ist doch kein besser Kleid zu finden,
Als was dir die Natur gemacht.

Trag Sorge vor den schönen Leib
In Arbeit, Speisen, Luft und Wachen
Und nimm bequemen Zeitvertreib,
Ihn weder faul noch schwach zu machen.
Fleuch Salz und Essig als das Gift,
Bezwinge Zorn, Verdruß und Schrecken
Und laß dich niemals eh' erwecken,
Als bis dein Ohr die Stunde trifft.

Verzeih, Selene, meiner Hand,
Sie schreibt nur kurze Grundgesetze,
Damit kein größrer Uebelstand
Der schönen Glieder Bau verletze.
Sechs Wochen laß dieß Thee nicht ruhn.
Mein Wunsch hat Kräfte beigetragen,
Ich weiß, du wirst in kurzem sagen:
Kann Wasser solche Dinge thun?


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