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5.

(An die Phyllis.)

Ich verschmachte vor Verlangen,
Meine Phyllis zu umfangen.
Harter Himmel zürnst du noch?
Faule Stunden, eilet doch,
Eilet doch, ihr faulen Stunden,
Und erbarmt euch meiner Noth;
Wird der Riß nicht bald verbunden,
Blutet sich mein Herze todt.

Liebste Seele, laß dich finden!
Ich spaziere durch die Linden,
Durch die Thäler, durch den Hain
In Begleitung süßer Pein;
Ich durchkrieche Strauch und Höhlen,
Such' in Wäldern weit und nah
Die Vertraute meiner Seelen,
Dennoch ist sie nirgends da.

Ich beschwöre selbst die Hirten
Bei den Heerden, bei den Myrten,
Die vielleicht der Liebe Pflicht
Um die bunten Stöcke flicht:
Wißt ihr nicht der Phyllis Spuren?
Habt ihr nicht mein Kind erblickt?
Kommt sie nicht mehr auf die Fluren,
Wo wir manchen Strauß gepflückt?

Die ihr alles hört und saget,
Luft und Forst und Meer durchjaget,
Echo, Sonne, Mond und Wind,
Sagt mir doch, wo steckt mein Kind?
Soll sie schon vergöttert werden?
Bet' ich sie vielleicht herab?
Oder ziert sie noch die Erden?
O, so reis' ich bis ans Grab.

Sage selbst, entrißne Seele,
Welcher Weinberg, welche Höhle,
Welcher unbekannte Wald
Ist anjetzt dein Aufenthalt?
Sage mir, damit ich folge;
Wär' es auch des Nilus Strand,
War' es auch die kalte Wolge,
Zög' ich gern durch Eis und Sand.

Weiß mir nichts Bericht zu geben?
O, was ist das vor ein Leben,
Das ich jetzo ohne sie
Als mein Joch zur Bahre zieh.
Himmel, laß dir nicht erst fluchen,
Ich begehre sie von dir.
Bin ich nicht ein Thor im Suchen?
Phyllis lebt ja selbst in mir.


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