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22.

(Er tröstet sich und seinen Freund, den 20. Juli 1720.)

Gottlob, ich merk' es innerlich,
Des Höchsten Eifer lindert sich,
Es rafft sich mein bedrängtes Herze,
Und sieht es gleich noch nicht, woher,
So meints doch mitten in dem Schmerze,
Als wenn gleichwohl ein Hang zur Hoffnung übrig wär.

Was war das nicht vor Bangigkeit?
Durch meine ganze Lebenszeit
Befind' ich nichts von ihres Gleichen;
Kein Zuspruch konnte meinen Gram,
Kein Trost den Eigensinn erweichen,
Der immer von sich selbst mehr Kraft und Nahrung nahm.

Ach, allerliebster Herzensfreund,
Bei dem mein Elend größer scheint,
Indem du in Gesellschaft leidest;
Ach, glaube, daß die große Treu,
Wodurch du dich in Noth bescheidest,
Mir noch die letzte Lust zu diesem Leben sei.

So sehnlich ein noch zartes Kind
Auf Brüste, Milch und Tocken Tocke, Docke, Puppe. sinnt,
So sehnlich brennt auch mein Verlangen,
Dich einmal in vergnügter Zeit
Und in dem Alter zu umfangen,
Wo viel Erinnerung vergangner Noch erfreut.

Die Welt soll kein Exempel sehn,
Das wohl auch so noch nicht geschehn,
Das unsrer Treu die Palmen raube;
Die Frauenbrunst wirkt sonderlich;
Doch bist du Jonathan, so glaube,
Dein David fühlt sie auch, doch überhaupt vor dich.

Es mag uns ein Prophetengeist,
So klug und weis' er immer heißt,
Auf Erden wenig Guts versprechen;
Wir wollen durch Vernunft und Fleiß
Die Schlüsse böser Schickung brechen;
Ich trotze drauf, weil Gott den frommen Vorsatz weiß.

Du siehst allhier, der Abendthau
Macht Gräser, Laub und Kräuter grau
Und stärkt sie nach der Mittagshitze.
Ach, lerne Trost und klage nicht,
Daß unser Herz zu lange schwitze!
Wer weiß, wo uns ein Quell auch aus dem Felsen bricht?

Das schön' und wundervolle Licht
Entführt uns jetzt sein Angesicht
Und denkt gleichwohl aufs Wiederkommen;
Es bringt auch sein verjüngter Schritt
Dieß, was es uns anitzt genommen,
Glanz, Farben, Wärm' und Lust vielleicht noch reicher mit.

Es darf dich kein Verlust gereun,
Die Zukunft wird des Glückes Schein
Mit reichem Wucher wieder senden;
Wir kehren wieder in die Stadt
Zur alten Noth mit leeren Händen,
Jedoch, wer weiß, wo Gott vor uns gesorget hat?


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