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32.

(Er erinnert sich der vorigen Zeiten und guter Freunde unter einem Schäfergedichte.)

Als Orpheus mit verliebten Thränen
Den Abschied seiner Liebsten sang,
Bewog des armen Dichters Sehnen
Sogar den todten Widerklang;
Die Thiere weinten in die Saiten,
Die Steine starrten mehr als Stein,
Und sein Verdruß bedrängter Zeiten
Nahm Feld und Wald mit Unmuth ein.

So sah es jetzo um Myrtillen
Und um die fetten Triften aus;
Kein Zuspruch wust' ihn mehr zu stillen,
Er ließ sein weites Schäferhaus,
Begab sich taumelnd in die Heide,
Bei der sich schon sein Vieh zerstreut,
Und klagte viel von seinem Leide
Der hier verschwiegnen Einsamkeit.

Was muß doch mancher Mensch nicht tragen!
Nun kommt das dritte Jahr ins Land,
Seit dem das Wachsthum meiner Plagen
Mir allen Rath und Trost entwandt.
Das Glücke greift mich allenthalben,
Und zwar mit allen Pfeilen an,
O, daß ich jetzt nicht mit den Schwalben
Verschlafen oder flüchten kann!

Ich will mein Kreuz in Rechnung bringen,
Die Menge läßt es nicht geschehn,
Ich will mich durch Verzweiflung zwingen,
Ja, dürft' ich keinen Himmel sehn;
Gewohnheit macht die Noth erträglich,
Jedoch nicht mir, sie ist stets neu,
Der Himmel aber unbeweglich;
Wer sagt, wie mir zu Muthe sei!

Ich weiß mirs selber nicht zu sagen;
Wer etwas davon wissen will,
Der geh' nur hin, den Wald zu fragen,
Und steh bei mancher Fichte still.
Mein Kummer zeigt sich an den Heerden,
Man sieht ihn selbst den Triften an,
Denn daß sie beide mager werden,
Das hat mein fauler Gram gethan.

Ich selbst verfalle vor den Jahren
Und zehre mich fast stündlich ab
Und denke bei den grauen Haaren:
Gott geb, jetzund erscheint das Grab.
Erschein' ich einmal auf den Festen,
So fragt mich jede Schäferin,
Warum ich bei so schönen Gästen
Nicht aufgeräumt und munter bin.

Mich selbst verdrießt mein mürrisch Wesen,
Und gleichwohl ändert mich kein Zwang,
Mein Glück ist einmal schon verlesen,
Und weiß der Welt wohl wenig Dank;
Ich kann bei keiner Arbeit bleiben,
Die unser Feldbau mit sich bringt,
Und weiß vor Armuth nichts zu treiben,
Das nur so obenhin gelingt.

Bald schnitz' ich etwan bunte Stäbe,
Da martert mich sogar das Bast,
Und wenn ich Abends Futter gebe,
So wird mir oft die Hand zur Last;
Mich deucht, die liebe Morgenröthe
Steht öfters aus Erbarmung still,
Wenn nun die sonst getreue Flöte
Der Kunst nicht mehr gehorchen will.

Das Unglück kommt mir in Gedanken
Ohn' Ordnung und in Menge vor,
Es heißt mich auch in Träumen zanken
Und schwächt mir täglich Aug' und Ohr;
Bald schmeißt mich Philindrenens Leiche
Mit neuer Ohnmacht in den Staub,
Da zeigt mir Roschkowitz die Eiche,
Da denk' ich an den süßen Raub.

Ach Schweidnitz, könnt' ich dich vergessen,
O, was entbehrt' ich jetzt vor Gram!
Ich habe deine Milch gegessen,
Seit diesem acht' ich keinen Rahm.
Lebt wohl und grünt, ihr fetten Auen,
Und weidet Leonorens Brust,
Ich werd' euch wohl nicht wieder schauen,
Es machte denn ein Traum die Lust.

Albine Albine, Wittenberg. war mir schlecht gewogen
Und hieß der Anfang meiner Qual,
Doch seit ich von ihr weggezogen,
Bedaur' ich sie wohl tausendmal;
Dieß macht die Freundschaft zwener Hirten,
Ihr güldnen Jahre kehrt doch um
Und biegt geschwind die schönsten Myrten
Zu Damons holder Scheitel krumm.

Ja, Damon Der früh gestorbene Freund Petersen. schläft und kommt nicht wieder,
Ach Name, der ergetzt und schreckt,
Ach würdest du durch meine Lieder,
Ja, durch mein Blut nur aufgeweckt,
Ich würde beide gern verschwenden,
O Rache, nimm dieß treue Blut
Von mehr als eines Enkels Händen,
Und mache so die Blutschuld gut!

Wo wird nur jetzt mein Daphnis weiden?
Ihr Hirten um den Muldenstrand,
Erinnert ihn, jedoch bescheiden,
Er habe mich ja auch gekannt,
Ich rufe Mond und Stern zu Zeugen,
Wohin er erst mein Haupt erhob,
Wenn Grillen mein Gemüthe beugen,
So stärkt mich sein gelehrtes Lob.

Die schön- und weltberühmten Linden,
Die Oder nebst der schwarzen Spree,
Und was sich sonst vor Oerter finden,
Allwo ich im Gedächtniß steh,
Die darf ich jetzt nur nennen hören,
So kriegt die Schwermuth Nahrungssaft,
Und daß sie mich zum öftern stören,
Das thut die süße Leidenschaft.

Hier seh' ich nun bei so viel Wettern
Mein armes Vieh zu Grunde gehn,
Die Ziegen klauben an den Blättern,
Die voller Gift und Mehlthau stehn;
Die Hitze macht die Garben dünne,
Und Lab und Milch verdirbt der Blitz,
Und weil ich nirgends was gewinne,
So straft man meinen blinden Witz.

Ach läge doch mein Haupt im Schlummer
Nur noch in Leonorens Schoß!
Wie gern erlitt' ich allen Kummer,
Das Elend wär' auch halb so groß;
Hier miss' ich nun in fremden Gränzen
Glück, Ehre, Vaterland und Ruh.
Geht, Nymphen, geht mit euren Kränzen
Und werft mir lieber Buchsbaum zu!


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