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31.

(Der ohne Mitleiden Leidende, in einem Traume vorgestellt.)

Ich warf mich nächtlich nächtlich, in vergangener Nacht; vgl. jährlich. in dem Bette
Und dachte traurig hin und her,
Woran ich mich versündigt hätte,
Und was doch mein Verhängniß wär?
Ich sah den Trotz der reichen Thoren,
Ihr Sauflied fiel mir in die Ohren,
Sie schlugen Sorg' und Gott in Wind;
Ich ließ den Glauben ziemlich wanken
Und kam auf artige Gedanken,
Die klüger bleiben, was sie sind.

Darüber zeigte mir der Schlummer
Ein ungewöhnlich Traumgesicht:
Ein Weibsbild lief vor Neid und Kummer
Und schien erbärmlich zugericht;
Sie dachte sich mit Schrein und Zähren
Des nahen Elends zu erwehren.
Dieß Schrecken gab ihr Kraft zur Flucht,
Allein die Armuth hielt sie wieder
Und riß sie bei der Hecke nieder,
In der sie Hülf' und Rath gesucht.

Der Hunger fraß in Fleisch und Beine,
Die Lügen sogen Mark und Blut,
Die Laster wurfen Pfeil' und Steine,
Die Thorheit sprach den Frevel gut.
Die Unschuld sah die Angst von weiten
Und wollt' – und ward auf allen Seiten
Vom Aberglauben weg gejagt,
Die Zeit kam auch mit ihrer Länge
Und sprach: O halt nur im Gedränge,
Du bist noch nicht genug geplagt.

Die Gegend vor dem Trauerspiele
Wies in der Näh' ein lustig Feld;
Auf diesem lacht- und scherzten viele,
Wie wenn man etwan Hochzeit hält;
Es waren Freund' und Anverwandten,
Die unsrer Aermsten Noth wohl kannten.
Sie rief, sie schrie, sie weint und bat
Und streckte die zerfleischten Armen.
Nicht einer war, der aus Erbarmen
Nur wenig Schritte näher trat.

Drauf ächzte sie zum letzten male:
Ach Himmel, hilf mir aus der Noth!
Er that es mit dem schärfsten Strahle.
Sein Mitleid war ihr schneller Tod;
Die Feinde schleppten ihr Leiche
Durch Wege, Sand, Morast und Sträuche;
Ihr Grabmal war ein wüster Ort.
Mein Aug' erschrak vor solchem Grimme
Und wachte gleich von dieser Stimme:
So schickt man deine Jugend fort.


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