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31.

(An Leonoren.)

Zwischen Ufer, Thal und Klüften
Ließ der treue Saladin
Mit den kühlen Abendlüften
Tausend heiße Seufzer fliehn,
Weil kein längst gehoffter Brief
Seinem Wunsch entgegenlief.

Die Gewalt verliebter Schmerzen
Warf ihn kraftlos in das Gras,
Wo er mit bedrängtem Herzen
Und gestütztem Arme saß;
Endlich wollte seiner Pein
Brust und Herz zu enge sein.

Zeuch nur (sang er), schöne Gegend,
Deiner Triften Reizung ein!
Jetzo bist du nicht vermögend,
Mein Gemüthe zu erfreun,
Dessen Schwermuth diesen Fluß
Mit den Thränen stärken muß.

Mit den Thränen, die mein Leiden
Billig Scheidewasser nennt,
Weil es nach dem schweren Scheiden
Augen, Haut und Seele brennt,
Und die Lippen schmerzlich frißt,
Die der Abschied roh roh, wund. geküßt.

Leonore, laß dich finden!
Irr' ich, oder rufst du nach?
Sagt, ihr schattenreichen Linden,
Sage, du verschwiegner Bach,
Ob nicht die, so mich regiert,
Dann und wann hierum spaziert.

Würd' ich auf den Blumenbeeten
Jetzo doch nur so beglückt,
Nur in eine Spur zu treten,
Die ihr netter Fuß gedrückt,
Sollt' es, scheint der Trost gleich klein,
Mir doch Trost genug verleihn.

Seht, so schwärmt mein blind Verlangen,
Das mich hin und wieder reißt;
Der durch Leonorens Prangen
Zärtlich eingenommne Geist
Bildet sich um jeden Hain
Seiner Schönen Ruhplatz ein.

Nein! mein Geist, du irrst im Bilde,
Sieh den Ort genauer an.
Diese Tiefen, dieß Gefilde
Ist kein schlesisch Kanaan;
Und zum Paradies Die Ausgaben haben hier die Anmerkung: Ein Spazierort vor Jena. allhier
Mangelt nichts als Lorchens Zier.

Male dir die Lust der Erden,
Adam's ersten Aufenthalt,
Nebst den Mienen und Geberden
Seiner kläglichen Gestalt
Und betrachte, wenn er flieht,
Wie betrübt er rückwärts sieht.

Siehst du dieß, so sieh darinnen
Mich und meinen Zustand an,
Dessen Qual kein künstlich Sinnen
Und kein Kiel entwerfen kann;
Evens Anmuth blüht in dir,
Adam's Unruh folget mir.

Da ich mich entfernt betrübe,
Lernt mein Geist erst mit Verdruß,
Wie getreu und stark er liebe,
Weil er dich verlassen muß,
Und die Angst entrißner Brust
Lehrt den Werth vergangner Lust.

Von den Spitzen dürrer Hügel Die erste Auflage hat deiner Hügel; ein andermal spricht der Dichter von kahlen Musenspitzen, vgl. 659.
Seh' ich oft ins Vaterland;
Hätt' ich doch nur Taubenflügel
Oder Dädals Zauberhand,
Um nur, wie zuvor geschehn,
Dich, mein Engel, noch zu sehn.

Dich, o Sonne meines Lebens,
Dich, o Ursprung meiner Glut!
Ists denn, leider, ganz vergebens,
Daß mein Mund so kläglich thut?
Nein, ich weiß, dein klingend Ohr
Stellt dir oft mein Leiden vor.

Ist der Tag der Erd' entwichen,
So verwehrt dein Bild die Ruh;
Kommt ein Ostwind hergestrichen,
Kehr' ich ihm das Antlitz zu;
Denn mich deucht, er bringe mir
Manchen sanften Kuß von dir.

Wo ich sitze, steh' und liege,
Stehst und liegst du neben an,
Daß ich auch die kleinsten Züge
Deiner Bildung zählen kann;
Greif' ich aber mit der Hand,
Fang' ich nichts als Luft und Wand.

Hätt' ich nur von tausend Küssen
Manchen, den ich kaum genoß,
Weil ich, ohn' es selbst zu wissen,
Oft in trunkner Lust zerfloß;
O wie rathsam wollt' ich ihn
Jetzt aus deinen Lippen ziehn!

Was zu thun? Die Zeit heißt warten,
Wenn uns Glück und Noth probiert!
Frost und Schnee verstellt verstellen, entstellen. den Garten,
Bis der Lenz die Stöcke ziert,
Da uns denn der Rosen Pracht
Nach dem Winter holder lacht.

Also, liebste Leonore,
Trägt auch meine Redlichkeit
Unter diesem Trauerflore
Noch ein grünes Hoffnungskleid
Und verspricht sich noch so schön,
Neben dir bald bunt zu gehn.

Sammle nur auf jene Stunde,
Die die Wiederkunft bestimmt,
Neuen Geist und Kraft im Munde,
Stärke, was im Auge glimmt!
Ja, verspar' auf diesen Tag
Alles, was entzücken mag.

O mit was vor süßem Lallen
Werden wir alsdenn, mein Kind,
An- und umeinander fallen,
Bis die Zunge Kraft gewinnt
Und durch holde Wort' entdeckt,
Was wir innerlich geschmeckt!

Echo mag indeß mein Klagen
In der grünen Einsamkeit
Durch die weiten Förste tragen;
Doch erwart' ich, liebste Zeit,
Dich, du Bote neuer Ruh.
Ich will warten, eile du!


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