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6.

(An Eleonoren.)

Ach Kind, verschone mich in dir
Und laß mich unbetrübt von hier!
Was quälst du mich mit so viel Thränen?
Es sind die Kräfte meiner Brust.
Ach, hast du denn bei so viel Sehnen
Noch gar zu meiner Ohnmacht Lust?

Ich bin wohl so genug geplagt,
Verfolgt, verleumdet und verjagt,
Und du willst noch die Angst verstärken?
Was Günther fühlt, das weiß sein Herz,
Ich laß es kaum die Hälfte merken,
Sonst macht' ich dir noch schärfern Schmerz.

Du bist ja meiner Treu gewiß,
Dieß ist ein Band vor diesen Riß,
An dem die Hoffnung auch schon heilet.
Ach, mildre doch nur den Verdruß,
Dieweil die Zeit, so jetzo theilet,
Uns endlich wieder binden muß.

Gesetzt, du würdest ungetreu,
Wovor doch Glück und Himmel sei,
Ich könnte dich unmöglich hassen.
Mir wär' es zwar die ärgste Pein;
Hat sie dich, dächt' ich doch, verlassen,
Will ich um desto treuer sein.

Ich weiß, man tadelt mich darum;
Der schilt mich weibisch, jener dumm.
Die Großmuth adelt mein Gemüthe,
Und daß ich zärtlich lieben kann,
Das nehm' ich von des Schöpfers Güte
Wohl vor die größte Wohlthat an.

Sei arm, verlassen und veracht,
Verliere, was gefällig macht,
Laß Zahn und Farb' und Jugend schwinden,
Du bleibst in meinen Augen schön
Und solt sie allemal entzünden,
So lange sie noch offen stehn.

Ein Augenblick der süßen Zeit,
In welchem mich dein Scherz erfreut,
Gilt mehr als alle Freudenfeste,
Wo Dresden, jetzt die halbe Welt,
Das Herz der hohen Hochzeitgäste
Mit tausend Wollust unterhält.

Der Frühling ist nun nicht mehr weit.
Spazier' in grüner Einsamkeit
In euren schönen Erlengängen
Und denk' in allem Ungemach,
So Schmerz dich, Neid und Freunde drängen,
Den oft gegebnen Lehren nach.

Dort soll der jungen Vögel Schrein
Die Botschaft meiner Sehnsucht sein,
Und scherzt der West mit Kleid und Wangen,
So wiss' und glaube sicherlich:
Er meldet dir mein heiß Verlangen,
Und küßt dich tausendmal vor mich.


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