Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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6.

Fontneuve, Mittwoch Mittag [den 19. Oktober 1774.]

Liebe Freundin!

Es geht besser; es geht gut! Ich bin ruhig. Jetzt bedaure ich, daß ich Ihnen meine Erregung mitgeteilt habe. Sie werden drei Tage in Unruhe gewesen sein. Sehen Sie, ich wußte ja nicht, daß Sie meine Sorgen teilen! Aber durfte ich daran zweifeln? Sie sind das edelmütigste, liebenswürdigste, vollkommenste Geschöpf, das es gibt!

Reden wir aber von holden trostreichen Dingen! Von Ihren Briefen! Ich habe deren zwei während der Krankheit meiner Mutter erhalten, und einen heute. Ich will nicht auf alles eingehen, was darin steht. Heute antworte ich Ihnen nur mit den drei Worten: Ich liebe Dich! Täglich erwirbt sich Ihre Freundschaft neue Rechte auf mich. Doch nein, Liebste, das ist nicht richtig: sie erwirbt nichts dazu! Sie war von Anfang an wie sie heute ist. Unendlich wie das Weltmeer, das immerdar Zufuhr erhält und doch nie größer aussieht. Leben Sie wohl! Ich will die Post nicht versäumen. Ihre Briefe lese ich immer wieder. Ich möchte Ihnen noch tausenderlei darauf sagen. Eines indes will ich nicht aufschieben: Ihnen zu berichten, daß sich meine Abreise nur noch drei bis vier Tage hinziehen kann. Bei meinem Regiment bleibe ich auch nur drei oder vier Tage. In Bordeaux nur so lange wie nötig; in Chanteloup und in Ruffec ganz flüchtig. Ich brenne vor Sehnsucht, wieder in Paris zu sein, Sie wiederzusehen, immer und immer wiederzusehen und dessen nie müde zu werden.

Nochmals: Auf Wiedersehen, liebe Freundin!

Hippolyte.


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