Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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178.

Dienstags, abends elf Uhr. [Dezember 1775.]

Mein lieber Freund, seit wir uns nicht gesehen haben, ist allerlei Gesellschaft bei mir gewesen. Man hat von dem geplaudert, was jetzt das Hauptthema bildet, und ich habe ordentlich darauf gehört, denn es waren Leute, die über die Sache unterrichtet waren. Ich habe daraus geschlossen, daß diese törichte, unselige Sorte Menschen schwer zu lenken ist, zumal wenn man ihr Bestes will. Überdies habe ich auch erkannt, daß Herr von Saint-Germain Ihnen nicht alles sagt, und ich wünsche nur, er wahrt Ihr Geheimnis so gut wie die von anderen.

Ich möchte gern, daß Sie morgen zu mir zu Tisch kämen, aber ich wage es nicht, Sie dazu besonders aufzufordern. Erstens weil das, was Ihnen lieb ist, meinem eigenen Vergnügen nachsteht. Nehmen Sie das aber nicht etwa für reinste Wahrheit. Mit Gefühlsäußerungen ist es so wie mit Aphorismen und Wortspielen; man darf sie nicht unter die Lupe nehmen.

Da seh ich eben, daß da ein »erstens« noch auf ein »zweitens« wartet. Hier ist es. Wenn ich Sie nicht besonders auffordere, so bin ich um so glücklicher, wenn Sie von selbst kommen, und überdies hole ich mir keinen Korb. Man muß auf seiner Hut sein, wenn man so schwächlich ist wie ich. Wenn Sie wüßten, wie sehr ich wieder gehustet habe!

Mein Lieber, ich bin am Donnerstag zum Mittagessen im Palais de Larochefoucauld. Ich würde mich herzlich freuen, wenn ich Sie da träfe, aber Versailles....

Ich habe noch zehn Briefe gut. Frist: bis zu Ihrer Abreise. Wenn ich die nicht erhalte, – Drohungen muß man schließlich anwenden, wo Bitten nichts ausrichten! – dann schreibe ich Ihnen in den nächsten vier Wochen nicht eine Zeile. Doch, was machen Sie sich aus Drohungen und aus meinen Entschlüssen. Wenn Sie mich nicht für das wortbrüchigste Geschöpf auf Gottes Erdboden halten, so müssen Sie mich das schwächste und gutmütigste heißen.

Gute Nacht, mein lieber Freund! Um mit Ihnen ein paar Augenblicke plaudern zu können, habe ich eben jemanden weggeschickt, der nicht einschläft wie Sie, der sich bei mir nicht langweilt wie Sie. Aber schließlich wollte ich doch lieber mit Ihnen plaudern.

Eigentlich schreibe ich Ihnen gar nicht gerne, wenn Sie hier in Paris sind. Sie haben nie Zeit; Ihre Antworten sind dürftig und mangelhaft. Selbst wenn ich bei Ihnen bin, sind Sie wer weiß wo. Kurz und gut, Sie sind so recht ein Mensch, der ganz nett ist, den man aber nicht liebt. Ich hätte die größte Lust, mich danach zu richten. Das wird wohl schließlich das Mittel sein, das ich anwenden muß, um mein Herz zu heilen.

Eben in diesem Moment habe ich wieder starke Schmerzen.


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