Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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200.

Mittwochs. [April 1776.]

Gestern war ich dem Nichts nahe. Ich war derartig erschöpft, daß mein Zustand dem Tode glich. Aber leider war er es nicht.

Um sechs Uhr kam ich auf den Gedanken, Sie könnten mir vielleicht nahe sein, aber vielleicht auch im Geiste sehr fern. Ist man sich nicht selbst im nämlichen Gemach oft unendlich fern! Lieber Freund, kommen Sie doch nicht mehr um zehn Uhr abends. Kommen Sie früher, und kommen Sie im Mantel und in hohen Stiefeln, kurzum so, daß Sie sich auf keinen Fall erkälten können. Ihre Straße, die Rue de Grammont, liegt ziemlich weit weg. Sie sollten im Wagen kommen und können ihn ja wegschicken.

Herrn von Saint-Chamans geht es nicht schlimmer. Aber das ist auch alles. Sein Zustand macht mir große Sorge für die Zukunft. Sie sind ein guter und überaus liebenswürdiger Mensch, weil Sie sich meiner Angelegenheit annehmen wollen. Herr von Vaines hat mir gestern allerlei von Ihnen erzählt. Ich bin nicht allein. Das stört mich beim Schreiben. Auf Wiedersehen heute abend, lieber Freund! Lassen Sie kein andres Verlangen aufkommen. Noch eine Bitte: bringen Sie mir das Tagebuch Ihrer Reise nach Preußen und Wien mit. So wie es ist. Wenn Sie mir das abschlagen, sind wir geschiedene Leute.


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