Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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185.

Sonntags früh. [Januar 1776.]

Ich friere, ich zittre, ich sterbe vor Kälte. Ich bin schweißgebadet. Sie hauchen dem Teil an mir, der am kränksten ist, noch ein wenig Leben ein: meinem Herzen. Es ist starr vor Kälte und Schmerz. Wie die Tolle von Bedlam möchte ich ausrufen: Es zerspringt vor vielem Leid!

Mein lieber Freund, es kommt mir vor, als wäre seit gestern vormittag ein Jahrhundert vergangen, und ich fürchte, ich werde den heutigen Abend nicht mehr erleben. Sie werden mich besuchen, also mir mein Leid durchsonnen! Großer Gott, ich bin meinem Innenleben nicht mehr gewachsen; es geht über meine Kraft, es überwältigt mich!

Guten Morgen, mein Freund! Ich liebe Sie mehr und inniger als je! Ich habe Husten und Schmerzen, aber ich werde Sie sehen. Sie werden den ganzen Tag über, bis zum Abend, viel vorhaben, und ich, ich habe nur einen einzigen Gedanken. Immer wieder sage ich mir:

Wie langsam schleicht Unglücklichen die Stunde!

Mein lieber Freund, richten Sie es ein, daß Sie morgen oder am Montag beim Grafen Crillon mit mir zusammen zu Tisch sind. Wählen Sie den Tag! Mir wäre der Montag lieber, aber Ihr Wille soll mir maßgebend sein.


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