Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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120.

Dienstags, elf Uhr abends. [23. Mai 1775.]

In Gottes Namen, lassen Sie mich, gehen Sie Ihrer schlechten Laune nach, reisen Sie ab! Sie nehmen mir meinen Frieden. Ich ärgere mich über Sie. Ich hasse mich selber. Ich habe Gewissensbisse. Ach, hätte ich Sie nie kennen gelernt! Ich hätte dann nur ein Unglück zu ertragen oder vielmehr keins mehr! Ich wäre von einem Leben befreit, das ich verabscheue und an das ich nur durch ein Gefühl gefesselt bin, das meine Seele martert.

Was ich heute getan habe? Was ich gedacht? Was ich gefühlt? Ach, ich habe Sie nicht gesehen, somit habe ich nur Wehmut, Schmerz und Verzweiflung erfahren, Angst und Sehnsucht.

Leben Sie wohl! Kommen Sie nicht mehr. Mein Herz ist ohne Ruhe, und Sie besänftigen es nie. Sie verstehen sich weder auf jene zärtliche Teilnahme, die so tröstet und stärkt, noch auf jene gütige Natürlichkeit, die einem Vertrauen einflößt und Frieden über eine wunde, tiefbetrübte Seele bringt.

Sie tun mir weh! Ich möchte Sie nie wieder sehen. Wenn Sie ritterlich sind, so reisen Sie morgen nachmittag ab. Wenn Sie mich am Vormittag besuchen, so ist das völlig genug.


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