Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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45.

Montags, elf Uhr abends.

Eben habe ich an Sie gedacht, an Ihre Beziehungen zu d'Alembert, und da kommt es mir in den Sinn, Ihnen einen tollen Vorschlag zu machen. Gerade deshalb ist es mir wahrscheinlich, daß Sie auf ihn eingehen werden. Wir wollen den morgigen Tag zusammen auf dem Lande verbringen. Sie werden Frau Ledroit eine riesige Freude machen.

Ich rede im Ernst. Sollten Sie den Abend nicht zur Verfügung haben, so fahren wir frühzeitig genug zurück, so daß wir weder Ihr Vergnügen noch das derer, die Sie erwarten, schmälern. Kurzum, richten Sie es ein, daß Sie sich losreißen von Ihren Geschäften, Ihren Sorgen, Ihren Zerstreuungen, Ihren Verabredungen, dem Opernbesuch, Visiten, dem nichts und wieder nichts, allen den tausend gewichtigen Dingen, denen Sie Ihr Leben widmen. Bringen Sie mir aber keinesfalls ein Opfer. (Dieser Appell ist wohl überflüssig und anmaßend?) Im Gegenteil, ich will es bringen. Wenn Sie mir eine abschlägige Antwort geben, so werde ich darüber weder überrascht noch betrübt sein. Es ist ja ganz natürlich, daß Sie am Tage vor einer Reise keine Minute Zeit haben. Aber wenn Sie ein paar Augenblicke für mich berechnet haben, so vergeuden Sie die nicht anderwärts. Verwenden Sie sie auch richtig.

Wenn Sie mit mir auf das Land gehen, so gebe ich Ihnen den morgigen Abend frei und lege mich sofort nach unserer Rückkehr schlafen.

Den Mittwochabend habe ich versprochen, in Ménilmontant zu verbringen, und wenn ich nicht zu elend bin, werde ich hingehen. Für heute nachmittag habe ich mich entschuldigen lassen, weil ich mich sehr leidend fühlte. Die Hoffnung, daß Sie mich besuchen könnten, konnte dabei nicht im Spiele sein. Es war aber überaus ritterlich von Ihnen, daß Sie mir ein paar Augenblicke geschenkt haben. Das hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen. Ich danke Ihnen tausendmal dafür, und zwar aus Herzensgrunde, das versichere ich Ihnen.

Wenn Sie mir den morgigen Tag schenken, so müssen Sie vor Mittag bei mir erscheinen. Im andern Falle kommen Sie gar nicht. Ich stehe spät auf und muß mich schnell ankleiden. Sie würden mich also nur verdrießlich machen, weil ich mit Ihnen nicht recht plaudern könnte.

Wenn Sie am Mittwoch nicht abreisten, wäre ich überglücklich.

Ich bitte um Bescheid.


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