Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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78.

Samstag früh. [November 1774.]

Mein lieber Freund! Sie wissen nie, was Sie machen sollen? So will ich Sie mal darüber unterrichten.

Gehen Sie gegen elf Uhr aus, machen Sie ein paar Besuche in der Vorstadt Saint-Honoré, und essen Sie dann zu Mittag bei Frau von Boufflers. Um fünf Uhr sind Sie beim Grafen Crillon, Rue de Braque; er erwartet Sie, vormittags wird er nicht zu Hause sein, wie er mir gestern gesagt hat. Auf dem Rückwege lassen Sie sich bei Frau von Vaines einschreiben. Um sieben Uhr sind Sie dann in der Comédie Française, »Heinrich den Vierten« zu sehen. Erbitten Sie sich die Loge des Herzogs d'Aumont, die Orchesterloge neben der der Königin. Befehlen Sie Ihren Diener auf 8[1/4] Uhr an das Haupttor des Prinzenhofes. Dort kommen wir alle heraus, ohne eine Minute zu warten. Hinterher gehen Sie mit Frau von M[ontsauge] soupieren.

Da haben Sie ein wundervolles Tagesprogramm, an dem Sie nichts zu ändern brauchen! Weiter: Morgen am Sonntag arbeiten Sie den ganzen Vormittag, ohne auszugehen. Zum Mittagessen gehen Sie zu Frau von M[ontsauge]. Um fünf Uhr kommen Sie wieder nach Haus, um zu arbeiten, und um acht Uhr sind Sie bei mir.

Passen Sie auf, und hören Sie:

Montags: Mittagessen bei Herrn von Vaines, Abendessen bei Frau von M[ontsauge].

Dienstags: Mittagessen beim General-Kontrolleur [Turgot], abends soupieren mit Frau von M[ontsauge].

Mittwochs: Mittagessen bei Frau Geoffrin, Abendessen bei Frau von M[ontsauge].

Donnerstags: Mittagessen beim Grafen Crillon, abends soupieren mit Frau von M[ontsauge].

Freitags: Mittagessen bei Frau von Châtillon, Abendessen bei Frau von M[ontsauge].

Sonnabends: Mittagessen bei Frau von M[ontsauge], nach Tisch nach Versailles. Zurück am

Sonntag abend, um den Abend bei mir zu verbringen.

Mein lieber Freund! Sie werden der reizendste Mensch der Welt sein, wenn Sie das alles vorschriftsmäßig ausführen. Ich glaube nicht, daß Sie sich selber ein besseres Vergnügungsprogramm entwerfen können. Das Vergnügen habe ich natürlich in erster Linie berücksichtigt.

Lieber Freund! Sie haben mir gesagt, Sie hätten mir absichtlich Leid zugefügt. Das ist unmöglich. Sie sind gut. Sie sind rücksichtsvoll, Sie wissen ... was? Daß ich mein Leben für Sie lassen würde, mehr noch, daß ich gern ewig leiden will, wenn ich Ihnen damit eine sorgenfreie Viertelstunde bereiten kann. Und Sie sollten mir absichtlich weh getan haben? Das ist nicht wahr!


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