Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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139.

Sonnabends, halb zwölf Uhr abends. [26. August 1775.]

Ich frage wie der Ritter Blaubart: Schwester Anna, siehst du niemanden kommen?

Auch d'Alembert ist noch nicht da.

Ich verlange nicht nach Einzelheiten, aber, ehe ich schlafen gehe, möchte ich gern die Worte hören:

»Nie hat es einen größeren Erfolg gegeben!«

Wenn ich diese himmlische Botschaft vernommen habe, dann will ich mit Wonne die Worte des heiligen Simeon ausrufen, als seine Augen den Heiland gesehen hatten. Ja, es wäre süßer für mich, süßer als je etwas, wenn ich danach in den ewigen Schlaf hinüberschlummern könnte!

Ich bin ärgerlich. Man hatte mir angeboten, einen Eilboten zu senden mit der Botschaft »Riesenerfolg!« oder »Mäßige Aufnahme!« Ich habe diese gütige Aufmerksamkeit abgelehnt. Ich war kleinlich. Ich wollte niemandem übermäßig verpflichtet sein. Kurzum, ich war dumm, und nun habe ich die Strafe. Ich fürchtete, eine derartige eifrige Anteilnahme könnte ein allzu tiefes Interesse verraten....

Ah, da kommt d'Alembert. Guten Abend!

»Ein beispielloser Erfolg! Und der bewußten Szene im dritten Akt hat man besonders applaudiert.« Ja, etwas Schöneres kann es auf der Bühne nicht geben! Dazu Lekain! Lekain!

Aber nun gute Nacht!

Sie werden mich für toll halten, mein Lieber. Mein heißester Herzenswunsch ist nicht etwa der, Sie zu sehen. Sie sollen erst alle anderen sehen, damit Sie Ihr Glück genießen. Kommen Sie in den nächsten Tagen nicht! Genießen Sie, und denken Sie nicht an die, die Sie nie hätten kennen lernen sollen! Ich bitte Sie, kommen Sie erst in der letzten Stunde vor Ihrer Abreise!


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