Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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18.

Donnerstag, den 27. September 1773

Nachdem ich länger als vier Wochen auf Nachrichten von Ihnen gewartet habe, teilen Sie mir mit, daß Sie sehr krank gewesen sind. Sie vermeinen, Ihre Freundin völlig zu beruhigen, indem Sie hinzusetzen, man brauche durchaus nicht besorgt zu sein, da das Fieber seit einem Tage verschwunden sei. Hand aufs Herz! Glauben Sie wirklich, diese Versicherung könne mir die Seele von Sorgen frei machen? Ach, ich sehe es allzu deutlich: Sie behandeln mich, wie es eben Weltleute tun. Man nennt sich Freund und denkt sich nichts dabei. Nur das eigene Wohl oder ihre alberne Eitelkeit geht ihnen nahe. Doch mein Gott, ich will keine Kritik üben. Mich kümmert nur, daß Sie leiden und daß ich in Angst um Sie bin. Wenn Sie wüßten, wieviel Sie mir seit vier Wochen schmerzhaft zu schaffen machen! Aber davon wollte ich nicht reden, sondern von Ihrem Zustand und von Ihrer Heimkehr. Bei unserer Freundschaft! Begehen Sie keine Torheit, schlafen Sie, erholen Sie sich! Setzen Sie sich, um früher heimkehren zu können, nicht der Gefahr aus, gar nicht heimzukehren! Hoffentlich haben Sie mir wenigstens vor Ihrer Abreise von Breslau geschrieben. Bei Ihrer Ankunft in Wien werden Sie einen Stoß Briefe von mir vorfinden. Vergessen Sie nicht, den Empfang jedes einzelnen zu bestätigen. Sie wissen warum. Dieser ist der fünfte, den Sie mir aufzuzählen haben.

Sie haben in Breslau nicht meiner Briefe wegen auf dem Postamt nachfragen lassen. Sehen Sie, wie gutmütig und großherzig ich bin: ich wünschte, mein Brief hätte sich in den verwandelt, auf den Sie warteten und nach dem sich Ihr Herz sehnte. Ich weiß nicht warum: Sie sind der Mann in der ganzen Welt, dem ich am wenigsten zu gefallen strebe, vor dem ich am wenigsten auf das Anspruch mache, was Sie »Rücksichten« nennen. Und Dankbarkeit, die will ich von Ihnen ganz und gar nicht. Das ist ein Gefühl, das ich verabscheue. Ich wollte, ich täuschte mich, aber aus dem Tone Ihres Briefes merke ich wohl, daß Sie leiden und recht schwach, recht blaß, recht niedergeschlagen aussehen mögen. Ich vergehe vor Angst, weil Sie in diesem Zustande nicht daran gedacht haben, mir zu schreiben. Habe ich recht, so sind Sie sehr strafwürdig. Wissen Sie mir Dank, daß ich Ihnen heute so wenig Vorwürfe mache! Ich hätte alles Recht, Sie damit zu überhäufen.

Mögen Sie finden, daß ich ebenso abgeschmackt wie ein Quälgeist bin, ich wiederhole Ihnen abermals, ich will, daß Sie alle meine Briefe verbrennen. Wenn Sie dagegen verstoßen, soll Ihnen das ewige Gewissensbisse verursachen!

Wie freue ich mich, daß Sie mit Ihrer Reise zufrieden sind. D'Alembert hat vom König seit seiner Rückkehr aus Schlesien keine Nachricht. Ich habe es sehr bedauert, daß er den »Konnetabel« nicht gehört hat. Da Sie indessen mit ihm geplaudert haben, hat er Sie auf eine ebenso fesselnde Art und Weise kennen gelernt, als wenn er Ihr Stück auf der Bühne gesehen hätte.

Leben Sie wohl! Ich muß schließen. Wenn ich von Ihnen reden wollte, so hätte ich noch allzuviel zu sagen, und wollte ich Ihnen von mir erzählen, so wäre das für einen Halbgenesenen gar zu trübselig.

D'Alembert und der Graf Crillon lieben Sie zärtlichst. Sie erwarten Sie voller Ungeduld. Leben Sie wohl! Sie glauben also, daß ich Sie in vier Wochen wiedersehe? Das liegt noch allzufern, um sich schon zu freuen.

Schreiben Sie mir nicht bloß aus Wien; ich möchte auch von den Zwischenorten Nachrichten von Ihnen. Denken Sie an Ihre Gesundheit! Nehmen Sie sich zum Wahlspruch: Vorsicht und Geduld! Ich bitte Sie darum, ich verordne es Ihnen!

Wirklich, es ist nicht mehr als recht.


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