Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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155.

Montags, elf Uhr. [November 1775.]

Ich rechnete darauf, Sie zu sehen, ich sehnte mich nach Ihnen. Ich weiß nichts mehr zu schreiben, ich fürchte mich, mit Ihnen zu plaudern. Meine Seele liegt auf der Folter. Alle meine Gedanken vermengen sich. Ich weiß nicht mehr, hat das Böse oder das Gute das Leid in die Welt gebracht? Ich weiß nicht, was schmerzlicher ist, Reue oder Sehnsucht. Kurzum, ich versinke in allzuviel Wirren und Weh. Ich lebe, aber ich wiederhole es Ihnen, nur der Glaube erhält mich dem Dasein, daß ich geliebt werde.

In den Viertelstunden, in denen Sie bei mir sind, gibt es für mich nur uns beide auf der ganzen Welt. Sie löschen Vergangenheit und Zukunft aus. Dann sind Sie nicht mehr schuldbeladen und ich nicht mehr unglücklich...

Nun, etwas anderes: Ich möchte mich einmal in Ihre Schneiderangelegenheiten hineinmengen. Mein Lieber, ich möchte, daß Sie sich einen braunen Rock machen ließen, einen schönen braunen, die Stickerei silbern mit nicht zu großen Goldblättchen, mit umstickten Knopflöchern, dazu eine gelbe Weste; geradeso soll der Rock gefüttert sein. Sie werden denken, ich sei toll. Es ist das erstemal, daß ich solche Phantastereien habe. Folgen Sie mir, wenn Sie recht liebenswürdig sein wollen.

Bitte, schreiben Sie doch nach Bordeaux, und reklamieren Sie meine beiden Briefe, oder haben Sie sie heute bekommen? Ach, wie leichtsinnig sind Sie! Wie angebracht ist Ihnen gegenüber die Vorsicht!

Ich werde morgen nicht nach Tivoli fahren; ich habe eben an Herrn Boutin geschrieben. Ich werde den Abend bei Frau von Meulan verbringen.


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