Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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131.

Montag, den 24. Juli 1775.

Mein lieber Freund, ich möchte am liebsten immer dort weilen, wo Sie sind, Ihnen an allen Orten begegnen, unaufhörlich mit Ihnen reden, Sie alle Tage sehen und hören. Ich habe Ihnen nach Bordeaux geschrieben, nach Montauban und heute wiederum nach Bordeaux. Vielleicht war das alles vergeblich, denn Sie wollten ja am 1. hier sein und sind vielleicht bereits unterwegs, wenn meine Briefe ankommen. Um so besser, dann sage ich Ihnen alles mündlich. Ich denke, das wird mir sehr wohl tun. Sie sind mild, empfindsam, gütig. Vielleicht fühle ich nur diese Seiten an Ihnen.

Aber warum haben Sie mir mit der letzten Post nicht geschrieben? Man sollte immer soviel Zeit haben, um einem leidenden Herzen Trost zu spenden! Und ich leide doch und wie sehr.

Lieber Freund, kommen Sie! Ach, ich werde Sie selten genug sehen. Sie haben: eine Frau, eine Freundin, Ihre Tragödie, allerlei Pflichten. Was kann da für ein armseliges Geschöpf übrig bleiben, das nur da ist, um zu lieben und zu leiden?

Ja, es ist mein Schicksal, Sie zu lieben, so lange ich atme. Bis der Schmerz meine Kräfte ganz verzehrt haben wird, werde ich Sie zärtlich lieben. So lange ich Leben in mir habe, so lange meine Seele Kraft dazu hat, werde ich Sie leidenschaftlich lieben. Mein Lieber, der letzte Hauch meines Lebens wird ein Ausklang meiner Liebe sein.

Adieu! Wenn Sie diese Zeilen erhalten, geben Sie mir Antwort. Schreiben Sie mir, ehe Sie selbst kommen. Mein Lieber, besuchen Sie mich ja nicht zu einer Zeit, wo ich Leute bei mir habe.

Ich habe schreckliche Schmerzen.

Leben Sie wohl!

Ich liebe Sie und nicht etwa darum, weil ich Ihre Geliebte war.


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