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Die Geier ( Vulturidae)

unterscheiden sich von den Verwandten dadurch, daß bei ihnen die Bedeckung an Kopf und Hals nicht, wie am übrigen Körper, aus harten, fest anliegenden Federn, sondern nur aus Daunen besteht. Ihre weiteren besonderen Merkmale sind folgende:

Der Körperbau ist gedrungen mit verhältnißmäßig kleinem Kopf und breiter Brust. Der Schnabel ist stark, gerade, und nur an der Spitze gebogen, mit großer Wachshaut, welche bei manchen Arten in absonderlichen Hautwucherungen einen kammartigen Schmuck bildet. Die Flügel sind groß und lang, doch breit gerundet und die dritte oder vierte Schwinge ist am längsten; der Schwanz ist nur mittellang oder kurz, meist gerundet und besteht aus 12 bis 14 Federn; die Füße sind verhältnißmäßig schwach mit kurzen, stumpfen, wenig gebogenen Krallen. Sie gehören zu den größten aller Raubvögel.

Beinahe über die ganze Erde verbreitet, fehlen sie nur in Australien. In der Lebensweise erscheinen sie bedeutend abweichend von allen Verwandten, denn sie ernähren sich fast ausschließlich von todten Thieren und daher sind sie in heißen Ländern als nützliche, ja überaus wichtige Vögel anzusehen. Wenn sie lebende überfallen, so ergreifen sie ihre Beute nicht mit den Fängen, sondern schlagen sie mit dem Flügel nieder, tödten und zerfleischen sie mit dem Schnabel, indem sie mit den Fängen sie nur festhalten. Ihr großer umfangreicher Horst steht auf steilen, unzugänglichen Felsen und nur selten auf Bäumen, ist im letztern Fall aus starken Ästen aufgeschichtet und mit dünneren Reisern, Wurzeln und auch Thierharen ausgerundet; bei den auf Felsen nistenden Arten besteht er dagegen nur in einer nachlässig zusammengetragnen Lage von solchen Baustoffen. Meistens zwei Eier oder auch nur eins, welche grau oder gelblich, dunkel gezeichnet und sehr rauhkörnig sind, bilden das Gelege. Im übrigen ist der Brutverlauf erst wenig erforscht. Von den vielen Arten, welche es gibt, kommt für unsre Heimat eigentlich nur eine in Betracht; andere berühren unser Gebiet nur als gelegentlich erscheinende Gäste. Für die Liebhaberei haben sie insofern Werth, als sie in mehreren Arten regelmäßig in den zoologischen Gärten zu finden sind.


Der Bartgeier ( Vultur barbatus, L.).

Auf Gebirgen von Europa, Nordafrika und Asien heimisch, bewohnt er bei uns die Alpen von Tirol und der Schweiz, außerdem die Karpathen und Pyrenäen. Je nach dem Aufenthalt wollte man zwei oder mehrere verschiedene Arten unterscheiden, indem sie sich an Größe und Färbung etwas verschieden zeigen, doch dürften darin höchstens Örtlichkeits-Spielarten zu sehen sein.

Das alte Männchen ist am Kopf gelblich- bis reinweiß, mit schwarzem Zügel- und Streif über dem Auge bis nach dem Hinterkopf, der letzte und die Wangen sind weiß und schwärzlich gefleckt; der Hals ist roströthlichgelbweiß; die ganze übrige Oberseite ist schwarzbraun, jede Feder mit weißlichem Schaft; die langen spitzen Flügel sind schwarzbraun, die Schwingen an der Innenfahne aschgrau; der keilförmig lang zugespitzte Schwanz ist gleichfalls schwarzbraun; Vorderhals und Brust sind roströthlichweiß; die letzte mit einem undeutlichen, braunschwarzen Längsstreif, die Brustseiten und Schenkel sind mit braunen Flecken besprengt; der Schnabel ist horngrau mit schwarzer Spitze, am Grunde und auf der Wachshaut mit weißen Daunenfederchen besetzt, welche zu beiden Seiten des Unterschnabels bartartig verlängert sind; die Augen sind röthlichgelb bis weiß mit einem feuerrothen Ring; die Füße sind bläulichgrau und die Beine mit langen Hosen befiedert. Er ist nur am Kopf mit kurzen Daunenfedern, am Hals dagegen mit großen langen Federn bedeckt. Das Weibchen ist nicht verschieden. Seine Länge beträgt 120 bis 150 cm; die Flügelbreite 260 bis 320 cm; Schwanz 50 bis 56 cm. Das Jugendkleid ist an Kopf und Hals schwarzbraun, an der ganzen übrigen Oberseite graubraun, schwärzlich und weiß gescheckt, an der Unterseite schwach röthlich hellbraun; der Schnabel ist horngrau, die Augen sind grau und die Füße bläulichgrau.

Im Gegensatz zu den übrigen Verwandten ernährt er sich fast ausschließlich von lebenden Thieren, Gemsen und anderm Wild, sowie Schafen u. a. Hausthieren, und er jagt dieselben in der Weise, daß er sie durch Flügelschläge und Anprall von den Felsen hinab in den Abgrund zu stürzen sucht. Auch wird ihm nachgesagt, daß er schon oft Kinder geraubt habe, doch dürfte A. E. Brehm in der Behauptung, daß in solchem Fall als Übelthäter nicht der Bart- oder ein andrer Geier, sondern vielmehr ein Adler anzusehen sei, recht haben. Immer auf unzugänglichen Felsen steht der aus Ästen aufgeschichtete, mit Haidekraut ausgerundete Horst, im März mit einem Gelege von zwei weißen, braungefleckten Eiern. Um seiner Schädlichkeit willen wird der Bartgeier überall eifrig verfolgt, auch ist ein hohes Schußgeld auf seinen Kopf gesetzt und daher ist er schon sehr selten geworden. Er heißt auch Alpen-Bartgeier, Bartadler, Bartfalk, Geieradler, Berg-, Gemsen-, Gold-, Greif-, Joch-, Schaf- und Steingeier, Grimmer, Weißkopf, am volksthümlichsten Lämmergeier.


Der Asgeier ( Vultur percnopterus, L.), der Mönchsgeier ( V. monachus, L.) und der Gänsegeier ( V. fulvus, Gmel.).

Alle drei Arten bewohnen eigentlich nicht unsre Heimat, sondern kommen in derselben nur als Gäste vor; daher darf ich sie hier nur beiläufig und kurz schildern.

Der Asgeier ist von Gestalt rabenähnlich mit spitzen Schwingen, deren dritte am längsten, mit langem gestuften Schwanz, vollem und dichtem Gefieder, am Kopf und Vorderhals kahl, nur stellenweise mit Büscheln von Borstenharen bedeckt, im Nacken mit losen, langen zugespitzten Federn, welche eine Art Kragen bilden. Er ist am Kopf gelb, Gesicht, Wachshaut und Hals sind röthlichgelb; die ganze übrige Oberseite ist schmutzigweiß; die ersten Schwingen sind schwarz, die zweiten grau; die Unterseite ist düstergelblichweiß; der Schnabel ist gelb mit horngrauer Spitze und gelblicher Wachshaut, die Augen sind gelblich bis rothbraun, die Füße sind gelbgrau. Das Weibchen ist übereinstimmend. Länge 62 bis 67 cm; Flügelbreite 160 bis 166 cm; Schwanz 23 bis 24 cm. Das Jugendkleid ist dunkelbraun, am Oberrücken fahl geschuppt.

Seine Heimat erstreckt sich über Südeuropa und das nördliche Afrika; während er in der Schweiz einzeln auftritt, soll er im südlichen Ungarn und in den Karpathen zuweilen nisten. Vorzugsweise As bildet seine Nahrung und da er zugleich sehr gefräßig ist, darf er in den heißen Ländern als ein wichtiger Vogel gelten; im Alterthum wurde er verehrt. In dem immer auf Felsen stehenden Horst besteht das Gelege in drei bis vier rostroth gefleckten Eiern. Man hat ihn auch weißer Asfresser, ägyptischer, arabischer, brauner, heiliger, kleiner, Koth-, Maltheser-, Mist- und Schmutzgeier, brauner und schwarzer Erdgeier benannt.

Der Mönchsgeier ist an Kopf und Hals hellbläulich grau, an den Kopfseiten und am Vorderhals mit schwärzlichen Borstenfedern; das ganze Gefieder ist tiefbraun mit schwachem violetten Schein; Schwingen und Schwanz sind schwarz; der verhältnißmäßig starke Schnabel ist röthlich oder violetthorngrau, an der Spitze blau, mit bläulicher Wachshaut; die Augen sind braun, mit nacktem, violettem Ring und die Füße fleischfarben. Bei ihm sind die Achselfedern verlängert, sodaß sie seitlich über die Oberbrust hinabhängen; gleicherweise sind die sog. Hosen, also die Schenkelfedern verlängert. Länge 100 cm; Flügelbreite 200 bis 220 cm; Schwanz 40 cm. Das Weibchen ist übereinstimmend gefärbt, doch ein wenig größer. Das Jugendkleid ist dunklerbraun, am Kopf düster weißlichbraun.

Nur die Gebirge des südlichen Europa und Indien sind seine Heimat, doch kommt er auch in Ungarn, Slavonien und Kroatien und den Donauländern, sowie in den Karpathen hin und wieder als Brutvogel und in Deutschland als Irrgast vor. Seit etwa 25 Jahren soll er sich über die südliche Uralgegend infolge herrschender Viehseuchen verbreitet haben. Mehr als auf Felsen soll sein Horst auf Bäumen stehen und ein Gelege aus einem oder höchstens zwei Eiern enthalten. Im ganzen Wesen und in allen übrigen Eigenthümlichkeiten dürfte er dem vorigen gleichen, doch soll er auch lebende Thiere überfallen und fressen. Er ist auch Arian, aschgrauer, brauner, gemeiner, grauer, großer und Kuttengeier und Kahlkopf benannt.

Der Gänsegeier, welcher seinen Namen von dem gänseartig verlängerten Hals, mit länglichem Kopf, schwachem Schnabel und niedrigen Füßen trägt, ist an Kopf und Hals weiß, am Oberhals mit einer rothbraunen bis gelblichweißen, beweglichen, aus langen, spitzen Federn gebildeten Krause; die ganze Oberseite ist mehr oder minder hellrothbraun, jede Feder mit hellem Schaftstrich; die ersten Schwingen sind schwarz, die zweiten graubraun und die großen Flügeldecken sind weiß gesäumt, wodurch eine Binde über den Flügel gebildet wird; die ganze Unterseite ist schwach dunklerrothbraun und gleichfalls hell gestrichelt; der Schnabel ist roströthlichbraun; die Augen sind braun mit blaugrauer Wachshaut; die Füße sind bräunlichgrau. Beim ganz alten Vogel verwandelt sich die Halskrause in einen Kragen von kurzen, steifen, weißen Federn und die Farbe des ganzen Körpers wird dann hellgraubraun. Länge 100 bis 112 cm; Flügelbreite 250 bis 256 cm; Schwanz 30 cm. Das Weibchen ist übereinstimmend, nur etwas größer.

Osteuropa, Afrika und Asien bilden seine Heimat. Von Siebenbürgen, Ungarn, Serbien und Dalmatien aus kommt er nicht zu selten, aber nur als unsteter Wandergast bis nach dem nördlichen Deutschland. Sein Nest steht sowol auf einem Felsen als auch auf einem Baum und enthält im März zwei Eier, welche grünlich- oder bräunlichweiß sind, aus denen aber immer nur ein Junges erbrütet werden soll. In allem übrigen ist er mit den vorigen übereinstimmend. Er heißt auch As-, ägyptischer, Alpen-, Erd-, Fahl-, Weißkopf- und weißköpfiger Geier und Mönchsadler.


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