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Die Pirole ( Oriolidae)

sind wiederum Vögel, von denen wir nur eine Art in der Heimat vor uns sehen. Ihre Verbreitung erstreckt sich über die alte Welt. Durch folgende besondere Kennzeichen unterscheiden sie sich von verwandten Vögeln, den Staren nämlich, zu denen sie die älteren Vögelkundigen auch stellten, während man sie jetzt durchaus absondert.

Ihr Schnabel ist kräftig, fast kegelförmig, verhältnißmäßig lang, spitz, an der First leicht gebogen mit kaum überragender Spitze des Oberschnabels und mit freien, nicht mit Federn besetzten Nasenlöchern. An den langen spitzigen Flügeln ist die dritte Schwinge am längsten. Der Schwanz ist mittellang, gerade abgeschnitten. Die kurzen und kräftigen Füße haben scharfe und spitze Krallen.

Fast alle Pirole erscheinen in prächtigen Farben; das Weibchen und die Jungen sind schlichter gefärbt. Ihre Nahrung besteht in allerlei Kerbthieren, vornehmlich größeren, fliegenden, aber auch Raupen u. a. Larven und Maden, zur Zeit sodann auch in mancherlei Baumfrüchten. Für die Stubenvogel-Liebhaberei gewähren fremdländische Arten Interesse, während die einheimische nur beiläufig und für besondere Liebhaber Bedeutung hat. Alles Nähere inbetreff der Lebensweise, Ernährung, des Nistens u. a. m. werde ich bei unserm Pirol schildern.


Der Pirol ( Oriolus galbula, Z.).

Tafel X, Vogel a.

Tafel X. Sommergäste:
a. Pirol (Oriol us galbula, L.),
b. Kukuk
[Tafel fehlt]

In der schönsten Frühlingszeit, wenn Sang und Klang ertönt von allen Zweigen, und die duftenden Blüten mit ihren bunten Farben unser Herz erfreuen und unsere Sinne berauschen, da sind es zwei Laute, welche wir im großen Naturkonzert nimmer entbehren möchten, weil sie wohlklingend überall hervorhallen aus dem Stimmen-Vielerlei: der Ruf des Kukuks und der Flötenton des Pirols. In seiner Erscheinung sowol als auch in seinem Wesen dünkt uns der letztere fast wie ein Tropenvogel. Erst spät im Mai kommt er einzeln oder parweise bei uns an; scheu, wild und unstät, und obwol oft in der Nähe von menschlichen Wohnungen lebend und nistend und in seiner grellen Färbung auffallend, erscheint er doch im gewissen Sinne geheimnißvoll, weil er sich stets in den dichtesten Baumkronen hoher Bäume aufhält und nur selten in niedriges Gebüsch herabkommt. Er ist in ganz Europa, von Schweden bis Italien und Südfrankreich und auch in Westasien heimisch. Bei uns in Deutschland finden wir ihn überall nicht allein in ebenen sondern auch in gebirgigen Gegenden, in Baum- und Obstgärten, Hainen, auf den Baumreihen der Landwege und selbst tief in Laub- und gemischten Waldungen, nirgends aber ist er häufig. Zu unseren schönsten oder doch auffallendsten Sommervögeln gehörend, ist er in folgender Weise gefärbt:

An der Ober- und Unterseite ist er prächtig glänzend hochgelb, mit einem schwarzen Flügelstreif; die Flügel sind schwarz, die Schwingen schmal weiß gekantet und gelblichweiß gesäumt, die Flügeldecken sind mit je einem hellgelben Fleck gezeichnet; die Schwanzfedern sind schwarz, die äußeren breiter und die inneren schmaler gelb gekantet; der Schnabel ist düsterroth mit ovalen Nasenlöchern und wenig beborstet, die Augen sind blutroth und die Füße bleigrau. In der Größe steht er den großen Drosselarten gleich (Länge 35 m, Flügelbreite 45 cm; Schwanz 9 cm). Das Weibchen ist an der Oberseite zeisiggrün mit schwarzgrauen Flügeln, an denen die letzten Schwingen und kleinen Deckfedern breit olivengrün gesäumt sind; die Kehle ist hellaschgrau; die übrige Unterseite ist düsterweiß mit schwarzgrauen Längsstecken; der Schnabel ist dunkelrothbraun, die Augen sind braun und die Füße grau.

Nur wenn wir uns laut- und regungslos verhalten, können wir beobachten, wie das Pärchen in seinem Nistbezirk, zänkisch gegen seinesgleichen, auch vorüberfliegende Krähen u. a. stürmisch befehdet, vor jedem schnellfliegenden Raubvogel aber, Sperber und Falk, schleunigst flüchtet. Hurtig fliegen sie hin und her, weithin in Schlangenlinien mit rauschendem Flügelschlag und in der Nähe flatternd und schwebend. Auf der Erde, wohin selten der eine oder andre herabkommt, hüpfen sie in ungeschickten Sprüngen. Dann hören wir die Locktöne rauh: kräk, kräk und hell täck, täck und bald auch den lauten, ungemein klangvollen Flötenruf, welchen das Weibchen mit schnarrendem querr beantwortet, und der von der Ankunft bis zum Juli hin fast den ganzen Tag, am lebhaftesten aber früh und abends erschallt. Mit Recht ist der Pirol ungemein beliebt, denn abgesehen davon daß er durch seine Ernährung, welche vornehmlich in Maikäfern, Schmetterlingen Heuschrecken, Raupen u. a. Larven und Maden besteht, zu den nützlichsten aller unserer Kerbthierfresser gehört, ist er um seiner schönen Färbung und seines klangvollen Rufs willen geschätzt. Da der Pirolruf um Pfingsten am lebhaftesten erschallt, so nennt man ihn Pfingstdrossel, -Pirol, -Vogel und der Volksmund hat den Ruf vielfach in Worte gekleidet: »Pfingsten Bier hol'n, aussaufen, mehr hol'n« oder »Hast du gesoffen, so bezahl auch.« Naumann, einer unserer hervorragendsten Vogelkundigen, kleidete ihn in die Worte »Dittler« und »Gidatittler«. In welchem Grade volksthümlich unser >Vogel Bülow< eigentlich ist, ergibt sich sodann aus seinen weiteren Namen: Berolft, Bieresel und -Hold, Bruder Byrolf, Bruder Weihrauch, Feigenfresser, Gelbling und -Vogel, Goldamsel, -Drossel und Merle, Gugelfahraus und -Siehaus, Kirschholf, -Pirol, -Vogel, Pfeifholder, Pirolf, gelber Pühloh, Reke, Regenkatze, Schulz von Milo, Schulz von Thurau, Vetter Loriott, Weihrauchvogel und Wiedewall. Verhältnißmäßig spät, erst im Juni, finden wir das Nest, gewöhnlich in einer Zweiggabel an einem weit abstehenden Ast eines hohen Obstbaumes oder im Wipfel einer jungen schlanken Birke, Erle u. a. Hier hängt es, aus Fasern, Bast, Grasblättern, Ranken, Halmen ungemein kunstvoll als ein tiefes napfförmiges Körbchen von beiden Gatten gemeinsam geflochten, von außen mit Mos, Flechten und Kerbthiergespinnsten gewebt und innen mit Rispen, Thier- und Pflanzenwolle nebst Federn ausgerundet. Die vier bis fünf Eier des Gelegs sind weiß, aschgrau und röthlichbraun gepunktet und gefleckt. Das Weibchen, welches nur in der Mittagsstunde vom Männchen abgelöst wird, erbrütet sie in 15 Tagen. Die beiden Alten sind um die Brut sehr besorgt und vertheidigen sie unter schrillem Gekreisch muthig gegen jeden Feind, eine Hauskatze, einen Heher u. a., selbst gegen den Menschen. Das Jugendkleid ist mit dem des alten Weibchens übereinstimmend, nur matter gefärbt; die jungen Männchen sollen am lebhafter grünen Rücken zu erkennen fein. Nach der einen Brut streicht die Familie umher, vereinigt sich auch wol mit einer andern zu einem Flug, welcher Obstgärten überfüllt und an Kirschen, Weintrauben, Feigen u. a. nicht selten erheblichen Schaden verursacht. Schon zu Anfang des Monats August ziehen sie aber ab und wandern zur Überwinterung bis tief nach Afrika hinein; auf Madagaskar bleiben manche. Obwol der Pirol zum Stubenvogel sich eigentlich nicht eignet, da er zu stürmisch, schwer einzugewöhnen und selbst wenn dies gelungen ist, in der Zugzeit die ganzen Nächte tobt, sich immer das Gefieder völlig zerstößt und bald die schönen Farben verliert, kaum einige Jahre aushält und meistens in der Mauser stirbt, so finden wir ihn neuerdings doch hier und da bei besonderen Liebhabern und auf den Ausstellungen. Man fängt ihn in Sprenkeln oder Leimruten, auf Kirschbäumen u. a. Am häufigsten werden Junge aus dem Nest genommen und aufgefüttert. In der Eingewöhnung, sowie der gesammten Pflege und Behandlung ist er mit den Drosseln durchaus übereinstimmend.


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