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Die Eisvögel ( Alcedinidae),

welche in vielen Arten über alle Welttheile verbreitet sind, hat man ebenso unbedachter- wie unberechtigterweise nach unsrer einen einheimischen Art benannt, obwol außer dieser letzteren alle übrigen kaum jemals mit Eis wirklich in Berührung kommen; Riesenfischer oder besser bloß Fischer würde wol die zutreffendste Benennung für sie sein. An folgenden besonderen Merkzeichen sind sie von allen anderen Vögeln zu unterscheiden.

Der Körper ist kräftig, gedrungen, mit verhältnißmäßig dickem Kopf, weichem, glattem und fettig glänzendem Gefieder. Der Schnabel ist gerade, kantig, verhältnißmäßig lang, fast viereckig, vom Grunde an gleichmäßig zugespitzt, an der Spitze wenig zusammengedrückt, mit vorspringendem Kiel, scharfer Spitze und Schneidenrändern; die ritzenförmigen Nasenlöcher sind durch ein Häutchen verschließbar. Die Flügel sind kurz und gerundet mit zehn Handschwingen, von denen die dritte am längsten, die erste und zweite jedoch nur wenig kürzer sind. Der Schwanz ist kurz, gerade abgeschnitten und besteht aus zwölf Federn. Die Füße sind verhältnißmäßig klein, schwach und kurzzehig, mit drei Zehen nach vorn und einer nach hinten; die vordre Innenzehe ist weit kleiner als die anderen und die beiden äußersten Zehen sind fast bis zur Mitte verwachsen. In der Größe wechseln die Eisvögel von der unsres Edelfink bis nahezu, der eines Haushuhns.

In allem übrigen werde ich unsre einheimische Art eingehend schildern.


Der Eisvogel ( Alcedo ispida, L.).

Tafel XXXV, Vogel b.

Tafel XXXV. Wintervögel:
a. Lasurmeise (Parus cyanus, Pall.),
b. Eisvogel (Alcedo ispida, L.),
c. Wasserschwätzer.(Cinclus aquaticus, L.)

Auf einer Fischerei-Ausstellung sah ich ein Bild, welches mich förmlich mit Grauen erfüllte. Der in tropisch glänzende Farben gekleidete Eisvogel war in einem kleinen Tellereisen gefangen, und zwar in der Weise, daß die Reifen ihm um den Hals geschlagen und den schönen, lebensfrohen Vogel gewürgt und unter's Wasser gezogen hatten. Wenn es irgendwo ein Bild menschlicher Grausamkeit gibt, so ist es hier der Fall. Schon von vornherein muß es unsern Unwillen erregen, daß ein Vogel, gleichviel welcher – ja selbst die ärgsten gefiederten Räuber möchten wir kaum ausnehmen – in solcher arglistigen Weise hingemordet wird; sodann aber tritt uns doch unwillkürlich die Frage entgegen, wodurch hat denn dieser in Deutschland schon überall recht selten vorkommende Vogel solch' hartes Schicksal verdient? Überblicken wir die Aussprüche aller Vogelkundigen, so können wir uns davon überzeugen, daß dieselben sich in folgendem Urtheil vereinigen: Der Eisvogel ernährt sich von allerlei im Wasser lebenden Thieren und unter diesen allerdings auch von etwa fingerlangen Fischen; aber die letzteren bilden keineswegs seine Hauptnahrung, sondern vielmehr die für die Fischzucht schädlichen Wasserkäfer, nebst deren gefräßigen Larven, Libellen und deren nicht minder räuberische Larven u. drgl., während die Weißfische, welche er beiläufig fängt, für die Zucht von Edelfischen schädlich oder doch mindestens störend sind. Der Eisvogel erscheint in folgender prächtigen Färbung:

Der Kopf ist dunkelgrün und die ganze übrige Oberseite ist glänzend tiefblaugrün; die ersten Schwingen sind schwarzbraun, an der Außenfahne blaugrau gesäumt; die zweiten Schwingen sind dunkelgrün, schwarzblau gekantet; alle Flügeldecken sind gleichfalls grün, blau gesäumt; die Schwanzfedern sind dunkellasurblau mit schwarzen Schäften; die Kehle ist gelblichweiß mit einem grünen Streif umrahmt, oberhalb dessen sich ein zimmtbrauner Streif hinzieht; die ganze übrige Unterseite ist lebhaft rosenroth. Der Schnabel ist dunkelbraun, die Augen sind dunkelbraun und die Füße mennigroth. Das Weibchen ist im ganzen Gefieder mehr grünlichblau. Etwa von Finkengröße erscheint er jedoch gestreckter und kräftiger (Länge 16 cm, Flügelbreite 27 cm, Schwanz 3,5 cm).

Die Verbreitung des Eisvogels erstreckt sich über ganz Europa und auch in Nordafrika und Westasien ist er heimisch. An Gewässern, welche bewaldete Ufer haben, insbesondre aber an Flüssen und Bächen, mit klarem, wenn auch reißendem Wasser, ist er zu finden. Auf einem hervorragenden Ast, Pfahl oder Stein sitzend, hinter dem Rade einer Mühle, wo der Fluß ausbuchtet, seltner an einem Landsee oder anderm stehenden und niemals an einem trüben Wasser, lauert er auf seine Beute, und mit scharfem Blick spähend, stürzt er sich plötzlich hinunter, um dieselbe, auf seinen Sitz zurückfliegend, zu zerhacken und zu verzehren. Gleich den Raubvögeln speit er, und zwar die Gräten und Schuppen von Fischen, Köpfe, Flügeldecken, Panzer und Beine von Käfern u. drgl., in länglichen Ballen als Gewölle aus. Wenn nach einem Gewitterregen oder Sturm die Gewässer getrübt sind, so leidet er an Nahrung Noth und dann muß er sich anderweitig von Kerbthieren, Schnecken, Egeln oder auch todten obenauf schwimmenden Fischen ernähren. Als Standvogel bewohnt er sein Gebiet jahrein und -aus und nur im strengen Winter ist er dazu gezwungen, nach offenen Stellen, wo ein Fluß in den See mündet u. a. zu streichen. Im April, zur beginnenden Nistzeit, wird das Pärchen sehr lebendig, wir hören dann die lebhaften Lockrufe tut, tiit und kit, kit, und sehen, wie das Männchen sein Weibchen, im pfeilschnellen Fluge dicht über dem Wasser dahinschießend, verfolgt. Dann fliegen sie auch wol einige Hundert Schritt weit vom Wasser fort, setzen sich sogar auf hohe Baumzweige; auf den Boden herab aber kommen sie niemals. Hitzig kämpfend wird jetzt jeder andre Vogel ihrer Art aus dem Nistgebiet vertrieben. Zur Nachtruhe sucht jeder einzelne irgend ein Versteck unter einem hohlen Ufer oder in einer andern Höhlung auf. Im Monat Mai etwa finden wir das Nest an einer steil abgestürzten Erdwand, ähnlich wie das der Uferschwalbe, als eine 1 bis 2 m tiefe und 5 cm weite, etwas aufsteigende Röhre gegraben und am Ende zu einer Höhle erweitert, in welcher letztern das eigentliche Nest als eine aus Fischgräten kunstlos geformte offne Mulde steht. Die Höhlung wird, gleicherweise wie von den Schwalben, mit dem Schnabel, den Füßen und Flügeln zugleich gegraben. In Ermangelung einer solchen passenden Gelegenheit wird das Nest auch wol zwischen hervorstehenden Baumwurzeln manchmal sogar weit entfernt vom Wasser angelegt. Das in 5 bis 10 Stück glänzendweißen, fast kugelrunden Eiern bestehende Gelege wird vom Weibchen allein in 16 Tagen erbrütet, während das Männchen dieses und dann auch die Jungen füttert. Im Jugendkleide sind die Eisvögel den Alten ähnlich, jedoch anstatt lasurblau viel mehr matter blaugrün gefärbt. Man will beobachtet haben, daß das Pärchen ein Nest, welches es schon seit mehreren Jahren bewohnt hat, plötzlich verlasse und ein andres anlege, wenn Steigen des Gewässers und eine Überfluthung bis über die Höhe des Nests hinaus bevorsteht. Nach der Brut schweift die Familie noch eine Zeitlang umher, dann aber trennen sie sich bald und jeder einzelne geht unfriedlich und einsam seiner Nahrung nach. Man nennt den Eisvogel auch Eisenpart, europäischer oder unser Eisvogel, Königsfischer, Martinsvogel, See-, Ufer-, Wasserspecht und Wasserhähnle. Nur beiläufig wird er gefangen, denn er ist sehr schwierig mit kleinen Fischen an Ameisenpuppen und in wurmähnliche Stücke geschnittenes Herz zu gewöhnen; er muß lange Zeit gestopft werden, weil er nicht selber fressen will. Außerdem bleibt er immer ungestüm und zerstößt sich tobend das Gefieder. Besser gelingt es, wenn man Junge im Alter von etwa 10 Tagen aus dem Nest rauben und mit Fischen, Fleisch und Fischstücken an Ameisenpuppen und Mischfutter bringen kann. So sieht man ihn als Seltenheit sodann auch auf den großen Vogelausstellungen.


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