Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Scharr- oder Hühnervögel ( Rasores)

finden wir über alle Welttheile in überaus zahlreichen Arten verbreitet, welche in einer beträchtlichen Anzahl zweifellos seit der allerfrühesten Zeit her dem Menschen nahe standen. Da sie hinsichtlich geistiger Begabung auch nicht annähernd an Hund, Pferd, Elefant u. a. heranreichen, so dürfen wir inbetreff ihrer freilich nicht von Genossen des Menschen im wirklichen Sinn des Worts sprechen, sondern wir müssen es vielmehr beachten, daß der letztre sie immer nur als Nutzthiere neben sich gehabt. Die Hühnervögel in ihrer Gesammtheit kennzeichnen sich durch folgende besonderen Merkmale.

Ihr Körper ist gedrungen, kräftig, nur bei wenigen langgestreckt mit mittellangem, seltner kurzem Hals, hoher breiter Brust, massigem Rumpf und besonders starken, vollen Schenkeln, viel mehr schwerfällig erscheinend als er es in Wirklichkeit ist. Der Kopf ist verhältnißmäßig klein, mehr lang als breit, meistens mit flacher oder doch nicht besonders hochgewölbter Stirn, bei vielen mit einem sehr verschiedenartig gestalteten Fleischkamm, welcher sich von der Stirn aus mehr oder minder weit bis zum Hinterkopf erstreckt, mit verschiedenen nackten, lebhaft gefärbten Stellen, Höckern oder auch Federbüschen geziert und mit nackten Hautlappen unterhalb des Schnabels. Der letztre ist kurz, hochgewölbt, der Oberschnabel hackig gebogen mit mehr oder minder weit über den Unterschnabel hinabstehender Spitze, bei einigen mit Wachshaut; im ganzen aber ist er recht verschieden gestaltet. Die Nasenlöcher liegen in einer knorpeligen oder häutigen Erhöhung, welche nackt oder auch mit kurzen Federchen bedeckt ist. Das Gefieder ist reich, hart und straff, sehr mannigfaltig gefärbt und nicht selten mehr oder minder farbenbunt. Die Halsfedern, welche eine bewegliche Krause oder einen Halskragen, der gesträubt werden kann, bilden, sind stark glänzend und zuweilen sind auch die Federn des Unterrückens und Bürzels verlängert und haben gleichfalls absonderliche Farbenpracht und -Glanz. Die Flügel sind kurz und gerundet, schildartig gewölbt, nur bei wenigen verhältnißmäßig lang; wechselnd ist die vierte bis siebente Schwinge am längsten. Der Schwanz besteht aus zwölf bis zwanzig Federn, welche dachartig gegeneinandergestellt und deren mittelste weit verlängert und sichelartig gebogen sind. Übrigens sind die Schwanzfedern bei den Hühnervögeln im allgemeinen von sehr wechselnder Länge und zuweilen fehlen sie ganz. Die Füße sind kräftig, selten über mittelhoch, mit vier langen Zehen, deren drei nach vorn, einer nach hinten gerichtet sind, und noch einem höher am Bein stehenden Hinterzeh, welcher jedoch nur bei einigen Arten vorhanden ist, mit kurzen, aber stark gekrümmten Krallen; zuweilen sind die Füße bis zu den Zehen befiedert. Die Geschlechter erscheinen auffallend verschieden gefärbt und auch gestaltet. Das Männchen (bei allen Hühnervögeln Hahn genannt) bekommt zur beginnenden Nistzeit besondere schmückende Abzeichen; Kamm und Lappen färben sich lebhafter, die Wachshaut gleichfalls, auch schwillt letztre bei manchen Arten an und bildet einen absonderlichen Schmuck. Das Weibchen (Henne) ist beiweitem schlichter gefärbt, ihm fehlen die schmückenden Abzeichen, auch ist es kleiner. Das Jugendkleid (Küchel) zeigt sich von dem beider Geschlechter sehr abweichend, beim Nestverlassen. bloß in weichen Daunen bestehend, wechselt es drei- bis viermal in den Farben, bevor es sich zum Alterskleide ausfärbt. Die Größe der Hühnervögel erstreckt sich von kaum über Lerchengröße bis zur bekannten Truthahngröße; unsere einheimischen freilebenden Hühner aber bleiben hinter diesen beiden äußersten Grenzen weit zurück.

Als Allesfresser ernähren sich die Hühnervögel vorzugsweise von allerlei Sämereien, Getreide- u. a. Körnern, Kraut und Pflanzengrün überhaupt, und Früchten, zum großen Theil aber auch von thierischen Stoffen, Gewürm, Weichthieren, Insekten, auch Kriechthieren, Fischen und selbst kleinen warmblütigen Thieren soweit sie solche zu überwältigen vermögen. Zur Verdauung brauchen sie viel grobkörnigen Sand, auch paddeln sie gern im trocknen Staub. Sie trinken schöpfend, indem sie den vollgenommenen Schnabel hoch emporhalten und das Wasser so hinabrinnen lassen. Ihrer Lebensweise und Ernährung nach sind sie hauptsächlich Erdvögel. Die meisten leben außerhalb der Nistzeit gesellig, viele wenigstens familienweise beisammen. Furchtsamkeit und zum Theil dummscheues Wesen, zeigen fast alle Hühnervögel im wilden, ganz freien Zustande. Alle ihre Bewegungen sind lebhaft und häufig sogar stürmisch; ihr Flug ist hurtig, wenn auch meistens schwerfällig, mit vielen raschen Flügelschlägen und unter lautem Geräusch. Sie laufen ungemein flink und gewandt, schlüpfen durch das dichteste Gestrüpp und wissen sich vortrefflich zu verbergen. Sie schreien viel und haben sehr verschiedenartige Laute. Der Hahn läßt absonderliche Töne erschallen, deren mannigfaltige Benennung ich bei den einzelnen Arten angeben werde. Zur Parungszeit führen die Hähne mehr oder minder wunderliche Bewegungen, Liebestänze u. a., aus und ebenso kämpfen sie heftig und hartnäckig miteinander. Die meisten leben in beiden Geschlechtern in Vielehe und nur wenige Arten parweise. Die Henne errichtet das Nest allein und zwar immer auf dem Erdboden an einer versteckten Stelle im Gebüsch, Gras oder Getreide, kunstlos zusammengescharrt, und legt in der Regel zahlreiche, meistens bunte, seltner einfarbige Eier, welche sie in 21 Tagen erbrütet. Im Gegensatz zu allen bis hierher behandelten Vögeln, welche Nesthocker sind, gehören die Hühner zu den Nestflüchtern, d. h. sie sind sogleich verhältnißmäßig selbständig, laufen, nachdem sie das Ei verlassen, sofort oder doch bald mit der alten Henne (dann Glucke genannt) aus dem Nest und nahrungsuchend davon. Die letztre führt mit absonderlichen, dann angenommenen Tönen (gluckend) treu, liebe- und aufopferungsvoll die Küchel allein; bei manchen Arten aber geleitet und bewacht auch der Hahn die Familie. Sie lieben die Brut ungemein innig und stürzen sich schwächeren Feinden muthvoll entgegen, während sie stärkeren und furchtbaren gegenüber die bei den Grasmücken geschilderten und bekanntlich auch von mancherlei anderen Vögel geübten seltsamen Verstellungskünste ausführen, sich flügellahm oder krank stellen und anscheinend unbeholfen dicht vor dem Feinde herflattern, diesen von den Eiern oder ganz kleinen Kücheln abzulenken und zur Verfolgung gegen sich selbst anzureizen suchen, um dann, wenn der Feind weitab vom Nest gekommen ist, im Bogen zu diesem zurückzukehren.

Aus den Reihen der hierhergehörenden Vögel haben wir bekanntlich wichtige Nutzthiere vor uns. Alle unsere freilebenden Wildhühner, mit denen wir uns hier doch ausschließlich beschäftigen, bieten sehr geschätztes Wildbret und werden daher eifrig verfolgt, aber auch vom Jäger zu bestimmter Zeit geschont und thatkräftig beschützt. Ohne solchen Schutz könnten sie eigentlich, wenigstens bei uns, garnicht mehr ihr Dasein fristen, und so gehören sie strenggenommen eigentlich bereits zu unseren Hausthieren. Auch in der Thierwelt haben sie zahlreiche Feinde, vornehmlich unter den großen schnellfliegenden Raubvögeln, ferner namentlich zur Winterzeit an Fuchs, Marder, Iltis, selbst den Wieseln, insbesondre aber leiden die jungen Hühner arg durch alle gefiederten und vierfüßigen Räuber, welche sie nur zu überwältigen vermögen.

Als Stubenvögel werden nur die allerkleinsten fremdländischen Arten, und allenfalls die einheimische Wachtel, letztre freilich sogar im engen Käfig, gleichsam als Singvogel ihres melodischen Rufs wegen, gehalten. Fremdländische Wachtelchen sind auch schon vielfach in den Vogelstuben gezüchtet worden. Alle übrigen wilden Hühnervögel kann man nur in möglichst großen Drahtumzäunungen im Freien beherbergen und hier werden mit ihnen, namentlich in jüngster Zeit, mannigfaltige Züchtungs- und Einbürgerungs-Versuche, theils mit den fremdländischen überall, theils mit den einheimischen dort, wo sie überhaupt noch nicht vorhanden oder ausgestorben, bzl. ausgerottet waren, angestellt.


Als


 << zurück weiter >>